Miguel Oliveira und Pol Espargaro (beide KTM) – die beiden besten KTM Piloten des Jahres 2018 (Oliveira damals in der Moto2) fahren seit dem Vorjahr nun beide in der MotoGP. Beim GP von Brünn war es jedoch Brad Binder, der den beiden mit seinem Sieg das erste Podium in einem Trockenrennen für KTM vor der Nase wegschnappte (© MotoGP).

Der Vergleich zwischen Ducati und KTM in der MotoGP

Beim ganzen Wirbel um den angeblich sensationellen Durchbruch von KTM nach „nur vier Jahren“, wie in Servus TV oft betont, müssen wir regelmäßig schmunzeln. Blättern wir doch ein wenig in den Geschichtsbüchern zurück und vergleichen mal mit einem ähnlich kleinen Werk in der MotoGP wie dem von KTM, nämlich mit Ducati. Die Marke aus Borgo Panigale hatte gegenüber der Konkurrenz von Honda, Suzuki und Yamaha ein Jahr Erfahrungs-Rückstand, als man sich auf die Saison 2003 zum Einstieg in die Königsklasse der Motorrad-Weltmeisterschaft entschied. Auf die Saison 2002 war die Geburtsstunde der heutigen MotoGP für Viertakter bis 990 cm³ ausgerufen worden. Für Ducati also eine gewaltige Herausforderung. Noch dazu, weil der italienische Hersteller seit Jahrzehnten auf großvolumige 2-Zylinder Viertaktmotoren spezialisiert war.

Loris „Capirex“ Capirossi im Jahr 2007 auf der Marlboro Ducati. Der Italiener fuhr bereits die sechste Saison für die Marke aus Borgo Panigale. Er war derjenige, der bereits im ersten GP für Ducati sensationell ein Podium holte und nur 5 Rennen später den ersten Sieg (© MotoGP).

Das erste Jahr von Ducati und KTM in der MotoGP

Im Jahr 2003 startete Loris Capirossi mit der Ducati GP-3 zum ersten Mal auf einem 990 cm³ Viertakter beim GP von Japan in einem Rennen der Königsklasse. Hinter Valentino Rossi (Honda) und Max Biaggi (Yamaha) gelang „Capirex“ dabei gleich das erste Podium. Sein frisch aus der WSBK in die MotoGP gewechselter Teamkollege Troy Bayliss rundete das hervorragende Ergebnis der italienischen Marke dazu mit Rang 5 ab. In Südafrika war es der Australier, der ums Podium kämpfte und Platz 4 für Ducati holte. Es folgte beim GP von Spanien in Jerez bereits das erste Podium von Bayliss. Im nur 5. Rennen der Saison danach bereits der absolute Triumph für Capirossi mit dem ersten Sieg beim GP von Katalonien. Im Vergleich dazu war der Einstand von KTM mit Pol Espargaró und Bradley Smith 2017 mehr als bescheiden. Zwei neunte Plätze des Spaniers waren im ersten Jahr der Österreicher das höchste der Gefühle. Nachfolgende Grafik verdeutlicht mit den 10 besten Rennen des besten Fahrers der beiden Marken den Unterschied. Die Platzierungen von Ducati sind in Dunkelrot eingefärbt und KTM in der helleren Farbe.

Auch in absoluten Zahlen ist der Unterschied zwischen den beiden MotoGP Einsteigern in ihrer ersten Saison in der Königsklasse extrem. In den beiden Spalten rechts ist nebst der besten Klassierung in den besten 10 Rennen des erfolgreichsten Fahrers auch noch die WM-Klassierung der beiden Werks-Piloten aufgeführt. Während Ducati mit Capirex und Bayliss gleich auf Anhieb die Ränge 4 und 6 belegten, musste sich KTM ganz hinten einreihen. Selbst Aleix Espargaró, Pols Bruder auf der Aprilia, war mit WM-Rang 15 noch vor dem besseren der beiden KTM Fahrer platziert. Bradley Smith musste sich gar hinter Loris Baz (Ducati, P18), Esteve Rabat (Honda, P19) und Bezahlfahrer Karel Abraham (Ducati) mit Position 21 begnügen.

Der erste WM-Titel von Ducati

Nach teils eher unglücklicher Fahrerwahl in den Jahren 2004 bis 2006 kam für die italienische Marke der absolute Glücksgriff zustande. Man hatte es nebst Capirex nacheinander mit Ruben Xaus, Carlos Checa und Sete Gibernau jedes Jahr mit einem anderen 2. Fahrer probiert. Mit Casey Stoner als WM-Achtem von 2006 ging man an der Seite des erfahrenen Capirossi erneut ein gewisses Risiko ein. Die Ducati war zwar pfeilschnell, galt aber als nur schwer beherrschbar. Doch der Australier wurde für die Roten zum absoluten Goldjungen und gewann nicht weniger als 10 Rennen. Dazu kamen weitere 4 Podiums-Platzierungen und eine unglaubliche Konstanz des Australiers. Er sah jedes Mal das Ziel und war nie schlechter als auf Rang 6 platziert. Mit 125 Punkten Vorsprung auf Dani Pedrosa (Repsol Honda) entschied Stoner die Weltmeisterschaft 2007 für Ducati und wurde damit zur Ikone der Marke aus Borgo Panigale.

Brad Binder – der Überraschungssieger beim Grand Prix von Brünn 2020 im Interview (© MotoGP).

Kann KTM mit Ducati gleichziehen?

Betrachtet man das Rennen von Brünn am 9. August 2020, würde auf diese Frage bestimmt jeder mit Ja antworten. Doch wer sich die letzten Versuche von Ducati seit dem ersten und bisher einzigen WM-Titel ansieht, dürfte dies bereits etwas realistischer betrachten. Abgesehen davon war der GP von Brünn ein sehr spezielles Rennen. Bis auf die KTM-Fahrer kämpften praktisch sämtliche anderen Piloten mit Reifenproblemen. Im Gegensatz zur Firma aus Mattighofen nahe Braunau am Inn hatten sie im Vorfeld in Tschechien nicht testen können und ihre Reifenwahl glich einer Lotterie. Ähnlich sieht es zumindest für das erste Rennen in Spielberg aus, weil KTM dort Heimvorteil hat und in der Corona-Zwangspause bereits ab Mai mehrere Male dort testen konnte. Was Siege betrifft, kann KTM im Lauf der nächsten Jahre vielleicht Boden gutmachen. Doch für einen WM-Titel hängt vieles auch von Marc Marquez und anderen Fahrern ab.

Johann Zarco (Ducati) – der 2-fache Moto2 Weltmeister hatte bei KTM nach nur einem halben Jahr die Nase voll und löste seinen 2-jahres Vertrag vorzeitig auf. Als fast alle den Franzosen bereits abgeschrieben hatten, fuhr er beim Grand Prix von Tschechien am 8. August 2020 sensationell auf die Poleposition. Tags darauf holte er sich auf der Vorjahres-Ducati den unglaublichen 3. Platz (© MotoGP).

Was braucht es zum WM-Titel?
Es braucht in erster Linie Konstanz und nicht nur einige Siege oder Podiums-Platzierungen um an Ende ganz vorne zu sein. Man kann im Vorjahr als Beispiel die Saison von Marc Marquez und Jonathan Rea in der WorldSBK nehmen. Während fast alle Gegner Fehler machten oder sich zwischendurch mitunter schlechte Resultate leisteten, fuhren die beiden mehrfachen Weltmeister beinahe in einer eigenen Liga ihrer Klasse. Dafür braucht es einen Fahrer, der über den unbedingten Siegeswillen verfügt. Auf der anderen Seite aber eben auch die Fähigkeit, sich im richtigen Moment zurückhalten zu können und bei Bedarf nur das absolut notwendige Minimum zu erzielen. Natürlich braucht es aber auch ein siegfähiges Bike, mit welchem zumindest ein Fahrer auf jeder Strecke konkurrenzfähig ist.

Jonathan Rea (Kawasaki) nach seinem überragenden Heimsieg in Donington 2019 im 1. Rennen vom britischen Publikum frenetisch gefeiert. Der Nord-Ire war innert 3 Runden bei Regen der gesamten Gegnerschaft um beinahe 10 Sekunden davongefahren, bevor er sich das Rennen einteilte und ungefährdet gewann. Rea ist genauso wie Rossi und Marquez ein Fahrer, der über die „richtige Mischung“ dessen verfügt, was einen wahrer Champion ausmacht.

Bescheidenheit ist auch eine Zier
Was es definitiv im Rennsport generell nicht braucht, sind große Sprüche und Angebereien. Etwa in der Art wie es jetzt aus Mattighofen nach dem ersten GP-Sieg in die Welt hinaus trompetet wird und via Red Bull Media als vermeintlich sensationell verkündet: „Man habe den ersten Sieg innert NUR 4 Jahren geschafft“. Bei Ducati dauerte es damals exakt 5 Rennen bis zum ersten Sieg!

Der unvergessene Casey Stoner – auf Ducati 2007 überlegen erster MotoGP Weltmeister (© MotoGP).

Mehr über Brad Binder siehe in unserem Bericht „der falsche Sieger“. Der Südafrikaner war bei Red Bull anfänglich in deren Nachwuchsprogramm durch den Rost gefallen und erst später „wiederentdeckt“. Nun hat er Pol Espargaró den seit Jahren erhofften ersten KTM Sieg prompt vor dessen Nase weggeschnappt, während dieser aus eigener Schuld beim GP von Brünn abgeflogen war.