Ein überglücklicher Sieger umarmt seine Familie, nachdem er in den beiden Rennen davor durch die Hölle musste – Jonathan Rea erlebte innerhalb von 24 Stunden sämtliche Höhen und Tiefen des Rennsports.

Dramatisches Europa Finale – die WM bleibt offen

Nachdem der amtierende Weltmeister in den ersten beiden Läufen von Portimão als haushoher Favorit in beiden Rennen gestürzt war, schien die Chance auf seine Titelverteidigung nur noch von theoretischer Natur zu sein. Aber dann bewies Jonathan Rea, weshalb er bereits 6-facher Rekordweltmeister und der beste Superbike Pilot aller Zeiten ist. Der Nord-Ire fuhr buchstäblich, als ginge es um sein Leben. Obwohl in Toprak und Redding mehrfach am Ende der langen Start-Ziel-Geraden wieder schnappten, gab er nicht auf und kämpfte sich wieder an die Spitze. Man konnte von blossem Auge erkennen, dass gegen das Kawasaki Ass im kurvenreichen Teil der Strecke kein Kraut gewachsen war. Aber Razgatlioglu wollte nicht aufgeben und prompt passierte auch ihm das Unerwartete und der Türke stürzte in der Zielkurve 15 wie tags zuvor sein Widersacher im Titelkampf. Damit war der Weg frei für einen entfesselt fahrenden Rea, der seinen Verfolgern keine Chance liess und das letzte Rennen von Europa überlegen gewann.

Der Moment, in welchem sich die Situation in der Weltmeisterschaft wieder völlig öffnete – Toprak und seine Yamaha am Boden, während Rea unwiderstehlich davonzieht und sein erstes Rennen seit dem Superpole Race von Barcelona gewinnt.

Wurde Toprak selbst am Ende ein Opfer seiner Rücksichtslosigkeit?
Diese Frage stellten sich viele Beobachter, nachdem der Türke sich am Samstagnachmittag gleich mehrfach extrem rücksichtslos und teils mit voller Absicht sehr rüpelhaft gegenüber seinen Konkurrenten gezeigt hatte. Einmal war der WM-Leader dabei ohne jegliche Scheu seitlich in Jonathan Rea geprallt, der nur mit Glück und Können danach einen Sturz verhindern konnte. Nach dem ersten Lauf beschwerte sich auch Scott Redding bitter über die überharten Attacken des Yamaha Piloten. Daran änderte auch die Tatsache nichts, dass seine Worte im offiziellen Bericht der Dorna über sein Interview herausgeschnitten wurden. Es zeigt eher, wie FIM und Dorna unfaire Manöver von Fahrern wie Marc Marquez und Raztaglioglu gerne bagatellisieren. Insofern machten sie sich auch am Rossi-Marquez Clash von Sepang im Jahr 2015 mitschuldig. Aber es könnte laut einem Gerücht im Paddock durchaus sein, dass sich Toprak damit selbst ein Ei gelegt hatte. Jedenfalls sah man unmittelbar vor seinem Sturz etwas an seiner Yamaha R1 abbrechen, was auf diese These hindeuten könnte. Die Wahrheit dazu wird bestimmt nie herauskommen.

Jubel bei den Fans von Jonathan Rea auf der spärlich besetzten Haupttribüne des Autodromo do Algarve nach dessen überraschendem Sieg beim Finalrennen in Europa.

BMW im Trockenen auf dem Boden der Tatsachen zurück

Der Sieg von Michael van der Mark im Superpole Race bei nasser Strecke bestätigte lediglich, dass der Niederländer ein genauso guter Regenfahrer wie sein Teamkollege Tom Sykes und dessen Ersatz Eugene Laverty ist. Sein erster Sieg für BMW seit dem Erfolg von Chaz Davies 2013 im zweiten Rennen in Runde 10 auf dem Nürburgring und der erst dreizehnte der deutschen Marke. Aber wie auch bei den meisten Podestplätzen von Tom Sykes seit der werksseitigen Rückkehr 2019 in die WorldSBK war es der Fahrer, welchem die Ehre dabei gehörte. Auf trockener Strecke wäre es ohne den Sturz des vor ihm liegenden Alvaro Bautista nur P7 geworden, so aber reichte es noch für Rang 6. Immerhin zeigte auch Eugene Laverty als Sykes Ersatz eine saubere Leistung und als zehnter schaffte er es immerhin zum dritten Mal an diesem Wochenende in die Top Ten. Dies ändert jedoch nichts an der Tatsache, dass BMW noch deutlich hinter den besten zurückliegt. Immerhin zwei Privatfahrer sahen die Zielflagge in Lauf 2 vor dem Mann aus Gouda als bestem der Deutsch-Englischen Truppe.

Ein Blick in die BMW Box von Michael van der Mark – kritische Stimmen meinen, das Team hätte besser früher und mehr getestet, statt mit einer prunkvollen Hospitality im Paddock zu prahlen, was definitiv nicht so richtig zu den in dieser Saison in der Regel gezeigten Leistungen passen will.

Die bisherigen Siege von BMW in der WorldSBK

Der WM-Stand in der WorldSBK nach 11 von 13 Runden

Nur noch 24 Punkte trennen Toprak vom amtierenden Weltmeister, nachdem es nur ein Rennen davor noch mehr als doppelt so viele gewesen waren. Selbst Scott Redding hat noch, wenn auch minimale Chancen auf den Titel. Während Michael van der Mark eine Position auf Kosten des an der rechten Hand verletzen Alex Lowes gutmachen konnte, flog Teamkollege Tom Sykes aus den Top Ten. Der Mann aus Huddersfield wird genau wie seit Barcelona auch Chaz Davies im Paddock bereits vermisst und die beiden dürften bei den letzten zwei Runden in Argentinien und Indonesien wieder mit dabeisein. Der BMW Pilot beendet bei dieser Gelegenheit sein Dasein im Werksteam der Blau-Weißen und der Waliser wird danach seinen Helm an den berühmten Nagel hängen.

Der Kalender mit noch zwei ausstehenden Rennen

Am Ende wurden von FIM und Dorna die beiden fragwürdigen Runden in Argentinien und Indonesien doch noch bestätigt. Dies ist angesichts des Sponsorenschwunds mit der Grund, weshalb zahlreiche Fahrer und Teams entweder gar nicht oder nur in Europa mit am Start sind. Prominenteste Opfer dabei waren Loris Baz, dessen Ten Kate Team das Geld für eine volle Saison in der WorldSBK nicht zusammenbrachte. Aber auch für Supersport Spitzenfahrer wie den Österreicher Thomas Gradinger und den Deutschen Patrick Hobelsberger bestand damit keine Chance für eine volle Saison im zweiten Corona-Jahr. In San Juan gewann mit Ausnahme von Alvaro Bautista bisher in sämtlichen Rennen nur der amtierende Weltmeister. Man darf deshalb davon ausgehen, dass es in zwei Wochen erneut spannend werden dürfte.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).