Ein Rück- und Ausblick zur Nr. 84 – Jonas Folger
Wir erinnern uns noch gut an den Moto2 Grand Prix von Tschechien 2016. Auch weil wir uns auf dem Weg zur Strecke von unserem Parkplatz wie so oft einen eigenen Weg suchten und lieber hinwanderten, als uns per Bus chauffieren zu lassen. Trotz eigentlich gutem Orientierungssinn und obwohl nicht das erste Mal vor Ort, passierte uns echt das erste und bisher letzte Mal, dass wir im Wald an der Strecke beinahe vorbeistapften.
Schlimme Verhältnisse für die Zuschauer aber ein Feiertag für Folger
Teils steckte man an einigen Stellen gut knöcheltief im Schlamm, was selbst direkt am Masaryk-Ring auch der Fall war, als wir ihn letztlich doch noch fanden. Google Maps war übrigens „out of order“, da wohl die spärlichen Mobilfunk-Masten vor Ort überlastet waren. Doch wenig später wurden wir für unser Ungemach entschädigt und dafür war Jonas Folger verantwortlich. Wie der gute Mann der kompletten Weltelite damals bei feucht-nassen Bedingungen auf und davon gefahren war, exakt ein Erlebnis wie man es in solchen Fällen zur Aufheiterung brauchte.
Der Neustart als Superbike Pilot in der Deutschen Meisterschaft
Mit dem Team Bonovo Racing MGM auf einer Yamaha YZF-R1M erfolgte für den Deutschen ein kompletter Neustart als Superbike Pilot in der IDM. Klar formuliert war dabei schon früh auch das Ziel, bei einigen WorldSBK Rennen mit einer Wildcard anzutreten. Natürlich hätte insbesondere Oschersleben vor heimischem Publikum eine ideale Kulisse dafür gegeben. Aber dann kam die Corona-Pandemie und Jonas Folger konnte froh sein, gab es überhaupt einen reduzierten IDM Kalender und am Ende doch noch zwei Gast-Einsätze in der Superbike-WM. Es war keine Überraschung, dass der ehemalige Grand Prix Pilot die nationale Meisterschaft ähnlich wie Andrea Locatelli in der WSSP 600 dominierte und den Meistertitel holte.
Folgers Wildcard-Einsätze in der WorldSBK 2020
Die Siege in der IDM waren so etwas wie die Pflicht, wenn man mit Eiskunstlauf vergleicht und in der WorldSBK sollte die Kür folgen. Nach den ersten drei freien Trainings lag der einzige Deutsche im Feld auf Rang 15. Dies war leicht hinter den Erwartungen, aber damit lag er immerhin noch vor HRC Honda Werkspilot Leon Haslam. Doch im Qualifying gab es ein technisches Problem und in der knappen Zeit schaffte sein Team es nicht, dieses rechtzeitig zu lösen. Damit musste Jonas vom Ende des Feldes ins Rennen gehen. Unter diesen Umständen war Platz 12 im ersten Rennen am Samstag ein hervorragendes Resultat. Aber leider reichte es am Sonntagmorgen im Superpole Race in den nur zehn Runden nicht in die ersten neun. Trotzdem war Rang 10 unter diesen Umständen erstaunlich stark. Im 2. Rennen musste er erneut vom letzten Startplatz losfahren und mit Platz 11 schlug er sich erneut achtbar.
Die Rückkehr zum Saisonfinale in Estoril
Seinem Team gelang es trotz aller Widerwärtigkeiten, einen zweiten Wildcard-Einsatz beim letzten Event der Saison in Portugal zu realisieren. Jonas Folger hatte diesmal im Gegensatz zu seinen Konkurrenten keinen Trainings-Nachteil, weil auch für die meisten von Ihnen der Circuito do Estoril völlig neu war. In Barcelona hatten sie hingegen im Vorfeld anders als Folger noch ausgiebig getestet. Auf der Strecke nahe der Atlantikküste westlich von Portugals Hauptstadt Lissabon fuhr der Deutsche im FP2 dann bereits mitten in die Weltspitze. Mit P7 hatte er dabei Spitzenfahrer wie van der Mark Haslam, Bautista, Sykes und Laverty hinter sich gelassen. In der Superpole reichte es immerhin für Startplatz 11, direkt vor Yamaha Ass Loris Baz (Ten Kate Yamaha).
Das Saisonfinale der WorldSBK aus Sicht von Folger
Platz 11 im ersten Rennen vom Samstag entsprach exakt seiner Startposition. BMW Werksfahrer Eugene Laverty sah die Zielflagge zwei Sekunden hinter dem Privatfahrer aus Mühldorf am Inn. Im Sprintrennen am Folgetag wurde es P13, auf die ersten 8 fehlten dabei nur etwas über 3 Sekunden. Mit Rang 11 im Finalrennen hatte es Jonas zum dritten Mal in Folge vor Laverty ins Ziel geschafft. Damals konnte noch niemand ahnen, dass die beiden schon bald etwas verbinden würde. Immerhin war nach Estoril endgültig allen klar, dass der Bayer das Zeug dazu hat, in der WorldSBK mehr als nur eine Nebenrolle zu spielen.
Die Topchance für Folger mit der neuen BMW M-1000 RR
Grundsätzlich ist es eine Riesenchance, dass Jonas Folger mit der neuen BMW M-1000 RR nächste Saison in der Superbike WM einen Platz erhielt. Selbstverständlich ist dies auch bezüglich des Materials mit gewissen Risiken verbunden, weil im Gegensatz dazu die Yamaha R1 grundsätzlich immer für Top Ten Resultate gut ist, die M1 BMW jedoch noch ein völlig unbeschriebenes Blatt. Doch es geht bei dem Neustart für den Deutschen in der seriennahen Weltmeisterschaft vor allem auch darum, sich hier zunächst einen Namen zu machen. Sein zweiter Platz in der MotoGP verhalf ihm zwar zu Ruhm und Ehre, aber die WorldSBK ist eine neue und andere Welt.
Der Doppel-Effekt mit vielen potenziellen Gewinnern
Gelingt es Folger, sich hier zu etablieren, profitiert auch die WSBK davon. Womöglich gibt es dann sogar endlich wieder ein Rennen in Deutschland. Wie bei Dominique Aegerter werden bestimmt viele neuen Fans auch den Weg zur Superbike WM finden. Dies zumindest, sofern Besucher an den Strecken bald wieder erlaubt sein werden. Die „Domi77“- und „Vollgas94“-Fans werden erstaunt sein, wie toll die seriennahe WM ist, welche zu Unrecht oft im Schatten der MotoGP steht. Und im Gegensatz zur mittlerweile in vielen Bereichen sehr „unpersönlichen“ Prototypen-WM ist man in der WorldSBK als Besucher generell überall viel näher dran. Die vielen potenziellen Gewinner dürfen sich bereits darüber freuen. Wir sind bereits vor Saisonbeginn überzeugt, die Fans und die Serie bekommt durch solche Fahrer einen neuen Schub, insbesondere im deutschsprachigen Raum.
>>Mehr über die WorldSBK Saison 2020 und frühere Jahre siehe in unserer History.
Endstand der Fahrer-WM 2020
Die WM-Chancen von Folger für die kommende Saison
Ohne Kristallkugel eine Prognose zu stellen ist in diesem Fall eine schwierige Aufgabe. Insbesondere hängt der Erfolg von Jonas sehr stark von der Performance und Zuverlässigkeit der neuen BMW M-1000 RR ab. Im Vorjahr vermochte das von Shaun Muir geleitete Werksteam in dieser Beziehung nicht zu überzeugen. Es fehlte mit der S-1000 RR an beidem, obwohl sich mit Sykes und Laverty die beiden Fahrer immer voll ins Zeug legten. Fahrerisch braucht man an den Möglichkeiten von Jonas Folgers gar nicht erst zu zweifeln.
Sehr viel hängt für Folger von seinem Material ab
Sollte die neue BMW M-1000 RR auf Anhieb konkurrenzfähig sein, wird der Bayer bestimmt von Beginn an um die Top Ten mitkämpfen können. Laut eigener Aussage würde Jonas auch gerne mal die etablierten Fahrer damit zwischendurch ein wenig ärgern. Sofern sich am provisorischen WorldSBK Kalender nichts mehr ändert, wissen wir ab 24. April 2021 mehr. Dann sollen in Assen zum ersten Mal die Startampeln ausgehen.
Provisorischer Kalender für 2021
Eigentlich wollte der WSBK-Verantwortliche der Dorna, Gregorio Lavilla mit drei für die Superbike WM neuen Strecken überraschen (mehr über seine Karriere als Fahrer siehe in unserer History). Dessen sehr spät veröffentlichter provisorischer Kalender enthielt jedoch nur eine und zum Leidwesen vieler Deutschen Fans fehlt darin Oschersleben. Genau deshalb barg der Kalender auch so viele Überraschungen, vor allem den indonesischen Ort auf der Insel Lombok und Donington ohne WorldSSP. Während Red Bull Media fälschlicherweise bis kurz vor Veröffentlichung über deren Seite speedweek von einem angeblichen Start in Jerez berichtete, soll dieser Termin nun erst im September stattfinden. Saisonstart im April in Assen tönt jedenfalls gut. Aber viele befürchten, das Event fällt ohne Bewilligung für Zuschauer am Ende flach. Derzeit muss daher noch mit einigen Modifikationen gerechnet werden.
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