Die 1. Saisonhälfte 2011 – das 24. Jahr der WorldSBK
Im Vorjahr hatte Max Biaggi den Traum von Aprilia wahr gemacht und für die seit 2004 zur Piaggio Gruppe gehörende italienische Firma den ersten Superbike Titel. Ein erster Anlauf mit der RSV Mille und den Fahrern Troy Corser und Nori Haga als prominenteste Piloten brachte immerhin zwei dritte und einen vierten WM-Rang. Damals war noch Ivano Beggio als Sohn des Aprilia-Firmengründers der Kopf des Unternehmens gewesen. Dass 2010 mit Biaggi sogar ein Italiener mit der RSV4 den Titel holte, war noch das i-Tüpfelchen auf der Erfolgsgeschichte. Mit Marco Melandri folgte dem Römer 2011 ein weiterer Fahrer aus der MotoGP in die WorldSBK. Besonders der „Renn-Zwerg“ aus Ravenna und mit Carlos Checa ein weiterer ehemaliger GP-Pilot sollten Biaggi in seiner 4. WorldSBK Saison das Leben alles andere als leicht machen.
Kalender der WSBK-Saison 2011
Bis auf die Reihenfolge diverser Events gab es gegenüber dem Vorjahr nur wenige Änderungen. Anstelle von Valencia kam in Spanien zum ersten Mal Aragon zum Zug. Die Strecke nahe der Kleinstadt Alcaniz im Niemandsland von Aragonien sollte ab nun fester Bestandteil des WSBK-Kalenders bleiben. Im ersten Corona-Jahr 2020 sollte hier sogar aufgrund des komprimierten Kalenders das erste Doppelrennen der WorldSBK stattfinden. Der Autodromo do Algarve in Portugal rutschte statt als zweite Runde wie 2010 ganz an den Schluss und bildete neu das Saisonfinale.
Saisonauftakt in down under
Vizeweltmeister Leon Haslam war 2010 auf einer seiner Lieblingsstrecken Mann der Stunde gewesen. Der Sohn von „Rocket Ron“ hatte auf der Alstare Suzuki GSX-R 1000 bereits die Poleposition geholt und gewann danach beide Rennen souverän. Doch diesmal war es überraschend der Nord-Ire Eugene Laverty, der zu Beginn führte, während Haslam hinter Carlos Checa und Max Biaggi nur an vierter Stelle lag. Ab der dritten Runde übernahm der Spanier das Kommando und fuhr einen sicheren Sieg nach Hause. Hinter dem Weltmeister von 2010 blieb BMW Neuzugang Haslam immerhin noch Rang 3. Winzige 27 Tausendstel hinter dem Engländer kreuzte Laverty vor Yamaha Teamkollege Marco Melandri die Ziellinie.
Die Ränge 6 bis 17
Platz 6 ging an Michel Fabrizio, der von der Werks-Ducati zu Suzuki Alstare gewechselt hatte. Dahinter folgte Jakub Smrz (Ducati) vor Tom Sykes (Kawasaki), Nori Haga (Pata Aprilia), Troy Corser (BMW), Roby Rolfo (Pedercini Kawasaki) und Jonathan Rea (Honda). Biaggis Aprilia Teamkollege Leon Camier musste sich mit Rang 13 begnügen, vor Badovini, dem Australier Staring, Rubén Xaus und dem zweifachen Weltmeister James Toseland. Gestürzt waren Kawasaki Neuzugang Joan Lascorz und Sylvain Guintoli (Ducati).
Das zweite Rennen von Phillip Island
Anfänglich waren es erneut Checa und Haslam, die sich um die Führung stritten. Ab der dritten Runde war es wieder der Spanier, der das Tempo an der Spitze bestimmte. Im Gegensatz zum ersten Lauf hatte jedoch Biaggi als Zweitplatzierter am Ende nur etwas über eine Sekunde Rückstand auf den Doppelsieger auf der Ducati. Noch knapper hinter dem Römer folgte sein Landsmann aus Ravenna auf der Yamaha R1. Richtig es war der Mann mit der „Hobbit-size“, wie es die Engländer aufgrund seiner geringen Körpergrösse nennen. Leon Haslam wurde von Rea auf der besten Honda noch in der letzten Runde abgefangen. Der Nord-Ire trug statt der üblichen Nummer 65 diesmal die 4. Sechster wurde Camier vor Haga, Fabrizio, Sykes, Xaus und Smrz. Rang 11 ging an Rolfo vor dem Australier Waters, Toseland und Laverty.
WM-Runde 2 in Donington Park
Es waren nicht die beiden Fahrer auf der Titelseite des Programmhefts, welche den Rennsonntag auf der wunderschönen Strecke in England prägen sollten. Zumindest galt dies bei Leon Haslam für den Fortgang des 1. Rennens, während er anfänglich sogar noch die Führung innegehabt hatte. Der Lokalmatador traf nur auf Platz 4 im Ziel ein und Rea knapp 3 Sekunden dahinter. Nachdem ab der 7. Runde Jakub Smrz überraschend geführt hatte, wurde er vom kleinsten Mann in der Startaufstellung am Ende noch abgefangen und distanziert. Hinter Melandri und dem Tschechen wurde Checa diesmal dritter. Rang 6 ging an Haga vor Biaggi, Camier, Corser, Lascorz und Guintoli. Gestürzt waren Laverty und Sykes.
Der zweite Lauf von Donington
Wenig überraschend war es wieder Leon Haslam, der zu Beginn das Rennen anführte. Aber nach 2 Runden setzte sich Carlos Checa vor „Pocket Rocket“ wie die Engländer den Sprössling von Ron Haslam oft zu nennen pflegten. Der Katalane gab das Kommando bis ins Ziel danach nicht mehr ab und gewann mit 3,397 Sekunden Vorsprung auf Marco Melandri. Auch Leon Camier hatte noch den Weg an Haslam vorbeigefunden und belegte vor seinem Landsmann Platz 3. Max Biaggi als Teamkollege des Drittplatzierten Engländers wurde disqualifiziert. Der Römer hatte davor eine Durchfahrts-Strafe ignoriert.
Rang 5 ging an Kawasaki Pilot Joan Lascorz, der damit sein bestes Saisonresultat schaffte, welches er im Lauf des Jahres noch zweimal zu egalisieren vermochte. Sechster wurde Jonathan Rea auf der besten Honda vor Fabrizio als bestem Suzuki Fahrer, Jakub Smrz, Ayrton Badovini und Rubén Xaus. Platz 11 ging an Sylvain Guintoli vor Tom Sykes, Troy Corser und Eugene Laverty. Nori Haga auf der Pata Aprilia war gestürzt, konnte das Rennen danach fortsetzen und wurde am Ende 17. und Letzter.
In der „Cathedral of Speed“ für Runde 3 in Assen
In den ersten Runden führte Donington Sieger Carlos Checa, bevor Jonathan Rea an ihm vorbeizog und seinem siebten WorldSBK Sieg der Karriere entgegenfuhr. Damals hätte sich in der 3. Saison des Nord-Iren noch nicht vorstellen können, dass er 10 Jahre später an der Marke 100 kratzen würde. Zweiter wurde der amtierende Weltmeister Biaggi vor Checa und Melandri. Nachfolgend das offizielle Resultat vom 1. Lauf.
Das zweite Rennen von Assen
Diesmal führte anfänglich „Nitro Nori“ Haga, aber der Japaner wurde nach der 2. Runde von Carlos Checa abgelöst. Nach dem Start hatte Jonathan Rea auf seiner Honda anfänglich auf Position 5 gelegen, aber im 5. Umgang war er auf P3 und behielt diese Platzierung auch bis ins Ziel bei. Checa fuhr am Ende 0,524 Sekunden vor dem amtierenden Weltmeister über die Ziellinie und hinter Rea wurde Camier vierter vor Haslam und Laverty. Rang 7 ging an Fabrizio vor Haga, Smrz, Guintoli, Sykes und Lascorz. Der Franzose Berger belegte Platz 13 vor Xaus, Badovini und Rolfo. Corser und Melandri waren durch Sturz ausgefallen.
WM-Runde 4 im königlichen Park von Monza
Für BMW Fahrer Troy Corser kam es nach dem Start zu seiner ersten Führungsrunde der Saison. Doch die Herrlichkeit für den Altmeister und zweifachen Weltmeister dauerte nur bis zum zweiten Umlauf. Danach kam die große Stunde für Eugene Laverty. Der Yamaha Pilot aus Nord-Irland hielt seinen Verfolger Max Biaggi auf dessen Aprilia bis ins Ziel in Schach und gewann am Ende mit 1,575 Sekunden Vorsprung auf den Römer. Leon Haslam belegte Platz 3 vor Melandri, Fabrizio, Rea und Corser. Achter wurde Leon Camier vor Checa, Smrz, Badovini, Guintoli und Sykes.
Der zweite Lauf von Monza
Gleich in der ersten Runde gab es wie so oft in Monza einen Crash, in den 3 Fahrer verwickelt wurden. Diesmal erwischte es Rea, Smrz und Haslam. Zwei Drittel des Rennens sah alles nach einem sicheren Sieg von Max Biaggi aus. Doch dann erhielt der Titelverteidiger eine Durchfahrts-Strafe aufgebrummt und fuhr enttäuscht an die Box und gab auf. Am Ende erbten Laverty und Melandri und der Nord-Ire besiegte seinen Yamaha Teamkollegen um 0,327 Sekunden. Platz 3 ging an Michel Fabrizio auf der Suzuki, womit es für einmal kein italienisches Fabrikat in der Heimat aufs Podium schaffte. Für den Italiener blieb es in der Saison 2011 das einzige Podest. Nori Haga holte sich mit Rang 4 sein bis dahin bestes Saisonresultat vor Corser, Badovini, Guintoli, Biaggi, Lascorz. Dahinter Checa auf P10 mit seinem bis dahin schlechtesten Auftritt des Jahres vor Sykes, Xaus und Rolfo.
Die fünfte Runde in Salt Lake City (Utah/USA)
Nach einer Minute war das Rennen für Jonathan Rea und Max Biaggi in Kurve 12 bereits vorbei, als die beiden gemeinsam abflogen. Vier Minuten danach erwischte es auch Xaus und Fabrizio in Turn 1. Zu Beginn war es wieder einmal Blitzstarter Troy Corser, der auf der Strecke des Miller Motorsports Park in Führung lag. Ab der 6. von 21 Runden war es erneut der WM-Leader, welcher das Kommando übernahm. Mit 2,766 Sekunden Vorsprung auf Jakub Smrz gewann Checa sein bereits 5. Rennen im 9. Lauf der Saison. Mit seinem ersten Podium sorgte Sylvain Guintoli für den ersten dreifach-Triumph von Ducati in diesem Jahr. Camier wurde vierter vor Laverty, Sykes, Badovini, Haslam, Haga und Melandri.
Das zweite Rennen von Salt Lake City
Der WM-Leader landete einen indiskutablen Start-Ziel-Sieg und liess seinen Verfolgern bis zum Ende keine Chance. An vorderster Stelle waren dies die beiden Aprilia Teamkollegen Leon Camier und Max Biaggi. Dahinter folgte Eugene Laverty vor den beiden Italienern Fabrizio und Melandri. Nachfolgend das offizielle Resultat.
R6 Misano
Nachdem zuerst Leon Haslam kurz in Führung war, geriet ab der 2. Runde Bewegung ins Publikum. Mit Max Biaggi tauchte der Doppelsieger aus dem Vorjahr unter frenetischem Jubel der unzähligen Tifosi an der Spitze auf. Lange sah es danach aus, als würde der Lokalmatador einen sicheren Sieg nach Hause fahren. Doch der amtierende Weltmeister hatte die Rechnung ohne Carlos Checa gemacht, der ab Runde 12 am Aprilia Piloten vorbeiging und seine Führung danach bis ins Ziel nicht mehr abgab. Mit seinem 7. Sieg im erst 11. von 26 Rennen der Saison triumphierte erneut der Katalane und dem Römer blieb mit 0,984 Sekunden am Ende nur Rang 2.
Die weiteren Platzierungen im 1. Rennen
Marco Melandri wurde hinter Biaggi zweiter vor Tom Sykes, der mit Rang 4 das bis dahin beste Saisonergebnis für Kawasaki schaffte. Davor war sein Teamkollege Joan Lascorz mehrmals vor dem Spassvogel aus Huddersfield ins Ziel gekommen. Der Katalane hatte in Donington mit Platz 5 bis dahin die Bestmarke der Grünen gehalten. Fünfter im 1. Lauf von Misano wurde Laverty vor Camier, Guintoli, Badovini und Lascorz. Haslam war genauso wie vor ihm Fabrizio und Smrz durch Sturz ausgeschieden. Der ehemalige Spitzenpilot Chris Vermeulen musste sich auf seiner Kawasaki mit Rang 14 hinter Berger, Xaus, Baiocco und Polita zufriedengeben. Es waren die ersten Punkte des Australiers, der wenig später die Saison vorzeitig beenden sollte.
Der zweite Lauf von Misano
Es begann beinahe identisch wie im ersten Rennen, nur dass Haslam diesmal zwei statt nur einer Runde führte und danach jedoch Checa vor Biaggi die Nase vorne hatte. Nach 10 Runden kam es zum Sturz von Melandri und Camier, was zum Renn-Abbruch mit roten Flaggen führte. Beim über 14 Runden ausgetragenen 2. Teil waren es erneut dieselben Fahrer wie zuvor, welche zuvor die dominierende Rolle spielten. Am Ende gewann Checa vor Biaggi und machte sich damit zum bereits 3. Mal zum Doppelsieger in der ersten Saisonhälfte. BMW Speerspitze Haslam war noch hinter Haga und Badovini zurückgefallen, sah diesmal aber zumindest die Zielflagge. Rang 6 ging an Fabrizio vor Guintoli, Xaus, Lascorz, Vermeulen und Lanzi. Sykes wurde 14. und letzter, noch hinter Rolfo und Laverty.
Die 7. WM-Runde mit der Premiere im Motorland Aragon
Die Strecke im Niemandsland von Aragonien in der Nähe der Kleinstadt Alcaniz hat einen Nachteil, der vor allem Rennsportfans und potenzielle Besucher stört: Es gibt nur eine Handvoll Unterkunftsmöglichkeiten in 1 bis 1,5 Stunden Fahrzeit von der Strecke. Wer dazu nicht in einem der wenigen Restaurants vorreserviert hat, schaut in die Röhre. Genau dies war unser Erlebnis vor Ort und daran hat sich bis heute nichts geändert.
Durchaus eine Anreise wert
Aber die Gegend ist definitiv schön und wenn es warm genug ist, einen Abstecher wert. Allerdings ist die Strecke nur schlecht begehbar und hat nur eine Zufahrt. Dies die Warnung an MotoGP Fans, für stundenlange Staus kann hier garantiert werden. WorldSBK ist diesbezüglich besser, aber wir waren mal anfangs April dort und Fahrer und Zuschauer litten unter kaum über 10 Grad Celsius sichtbar. Im Corona-Jahr 2020 gab es hier durch die Pandemie das erste Doppelrennen der Geschichte mit sogar je 2 WorldSSP Läufen. Zuschauer an der Strecke sind auch im 2. Corona-Jahr eher fragwürdig. Aber mit einer Durchführung dürfte auch 2021 zu rechnen sein.
Das erste WorldSBK Rennen von Aragon am 19. Juni 2011
Während Carlos Checa in Kurve 10 in der 7. Runde auf P3 liegend stürzte, sah es lange nach einem Sieg des amtierenden Weltmeisters aus. Aber 5 Umgänge vor Schluss ging Yamaha Neuzugang und WSBK Rookie Melandri an seinem Landsmann vorbei und fuhr einem sicheren Sieg entgegen. Es war der zweite Sieg des Winzlings aus Ravenna in seiner Rookie-Saison, nach dem Umstieg aus der MotoGP. Gut eineinhalb Sekunden dahinter folgte Biaggi auf P2 vor seinem Aprilia Teamkollegen Camier.
Die weiteren Platzierungen
Laverty wurde vierter vor Sykes, Haga, Lascorz, Badovini und Haslam vor BMW Teamkollege Corser mit P10. Rang 11 ging an Guintoli vor Vermeulen, dem Franzosen Berger und dem Italiener Roby Rolfo. Letzterer sollte 2011 seine letzte volle WSBK Saison bestreiten und zwei Jahre später in der WSSP 600 antreten, wo er durchaus nochmals erfolgreich war.
Das zweite Rennen von Aragon
Während zu Beginn wieder Max Biaggi an der Spitze lag, gelang es Melandri diesmal nicht, seinem Landsmann zu folgen. Daher siegte diesmal der Römer vor dem Herrn aus Ravenna, dessen Körpermasse die Engländer oft als „Hobbit-size“ bezeichnen. Hinter Melandri komplettierte WM-Leader Checa das Podest, nachfolgend das offizielle Resultat des 2. Laufs von Aragon.
Bilanz nach der ersten Saisonhälfte
Carlos Checa war 2011 von Beginn an der Mann der Stunde gewesen. Mit 43 Punkten Vorsprung auf den amtierenden Weltmeister hatte der Ducati Pilot ein sattes Polster herausgefahren. Hinter dem Römer lauerten die beiden Yamaha Neuzugänge Marco Melandri und Eugene Laverty, allerdings mit recht deutlichem Respekt-Abstand. Biaggis Teamkollege Leon Camier war zu diesem Zeitpunkt bereits deutlich abgeschlagen. Leon Haslam hatte seinen Teamkollegen Troy Corser bei BMW deutlich in den Schatten gestellt. Der Sohn von „Rocket Ron“ Haslam hatte bereits mehr als doppelt so viele Punkte wie sein Mannschaftskamerad gesammelt.
Das bittere Fazit für Troy Corser
Der Australier dürfte sich über die 3 verlorenen Jahre bei Petronas noch lange geärgert haben. Mit der Saison 2002 als Versuchs- und Entwicklungsfahrer und in den beiden Jahren danach als Stammpilot hatte er bei Foggy Petronas mit der SP1 viel Zeit vergeudet. Der Altmeister war damals in der Blüte seiner Karriere gewesen, was er mit den Titeln 1996 und 2005 eindeutig unter Beweis gestellt hatte. Mit gutem Material wären wohl 1 oder 2 weitere Titel für den Mann aus Wollongong in New-South Wales drin gewesen. Spätestens 2011 war endgültig klar, dass die besten Jahre des kleinen großen Mannes aus der WorldSBK vorbei sein dürften. Der letzte Sieg in Phillip Island von Corser war nun bereits 5 Jahre her.
>>weiter siehe in Kürze Teil 48 über die Geschichte der WorldSBK
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