Jack Miller (Ducati) – der Australier ist derzeit der meistgenannte Favorit für Saisonauftakt und gar die ganze Saison 2021. Mit bisher nur einem einzigen MotoGP-Sieg in seiner Karriere und dazu 9 Podestplätzen in sechs Jahren, ist dies eigentlich erstaunlich (© MotoGP).

Zu Nebengeräuschen und der Frage nach den WM-Favoriten

Nachdem die meisten Fahrer nun die Pause zwischen den Tests und dem ersten Rennen in Losail zu Hause verbringen, blieben nur sehr wenige von ihnen vor Ort in Katar. Darunter der äusserst vernünftige Suzuki Pilot Alex Rins. Genau wie Takaaki Nakagami liess sich der Spanier nicht zu einem Schnellschuss überreden, was das Impf-Angebot in einem Spital von Doha betraf. Statt sich selber dauernd zu loben, sollte Dorna Boss Ezpeleta besser mal etwas bescheidener auftreten, was besonders auch für das Impf-Theater in Katar betrifft. Es war im Grunde genommen eine absolute Frechheit, wie die spanische Vermarktungsfirma der MotoGP dabei vorging.

Alex Rins (Suzuki Ecstar) – oft auch der „Inspektor Gadget der MotoGP“ genannt. Der sympathische Rennfahrer aus Barcelona ist einer, der auch über den Tellerrand hinaus denkt. Um auf unnötige Risiken zu verzichten, ist er sogar einer der wenigen, die in Katar bleiben (© MotoGP).

Fragwürdiges Vorgehen der Dorna und seltsames Verständnis
Den Fahrern und Teammitgliedern erst spät abends am Donnerstag mitzuteilen, dass es eine spontane Impf-Aktion gegen Covid-19 gebe, ist mehr als fragwürdig. Danach zudem zu erwarten, dass sie alle am Freitagmorgen früh in ein Krankenhaus fahren, um sich impfen zu lassen. So hätte gar niemand die Chance gehabt, davor noch mit seinem Arzt zu telefonieren und genau deshalb sagten viele ab. Es ist irgendwie typisch für die Dorna, sich ausgerechnet im äußerst umstrittenen Wüstenstaat in der Impfreihenfolge vorzudrängeln. Das nennt man Egoismus pur und ein seltsames Verständnis von Anstand gegenüber den Mitbürgern zu Hause. Als Gipfel der Frechheit lobte Herr Ezpeleta sich im Interview gleich noch selbst, ohne zu verstehen: Als Sport-Vermarktungsfirma agierte er äusserst unsportlich!

Statt Wasserstaub gab es in Katar Sandstaub auf der Strecke am Freitag, wie diese Bild von Repsol Honda Neuzugang Pol Espargaró zeigt. Völlig verantwortungslos wollte man die Fahrer kurz nach deren Impfung fahren lassen, doch die meisten liessen es aufgrund des Sandsturms zum Glück bleiben (© MotoGP).

Zur vermeintlichen Sicherheit durch Impfungen und weiteren Risiken
Wieso lässt Valentino Rossi sich überhaupt impfen, wenn er 2020 bereits infiziert war, sollte er danach nicht immun sein? Und wieso sollten die Fahrer sich am Morgen impfen lassen und danach mittags (hätte es keinen Sandsturm gegeben) auf ihre fast 300 PS starken Bikes sitzen? Es ist fast jedem bekannt: Nach derartigen Impfungen soll man keinen Sport treiben! Dies steht auf fast jeder Medikamentenpackung und auch beispielsweise kein Fahrzeug lenken. Mancher fragt sich dabei, ob die Dorna wirklich so dumm ist, dass dies keiner ihrer Leute weiss. Befremdend war zudem die Behauptung zur angeblichen höheren Sicherheit durch Impfungen vonseiten der Dorna. Beinahe jedes Kind weiss jedoch heute, dass man trotz Impfung auch Covid-19 Virusträger werden kann!

Petronas Yamaha SRT Neuzugang Valentino Rossi – obwohl der Italiener im Vorjahr aufgrund einer Covid-19-Infektion in Aragon ausgefallen war, liess sich er sich ebenfalls impfen. Dies verwirrte verständlicherweise viele Betrachter nebst dem Umstand, dass nun der MotoGP Tross in Katar die Impfreihenfolge salopp überspringt (© MotoGP).

Der übliche Fehler nach Tests in Sepang oder Losail

Favoriten anhand Losail-Tests zu bestimmen funktioniert nicht
Es ist gar nicht so einfach, die Favoriten der MotoGP Saison 2021 zu nennen. Dies gilt zumindest, sofern man dabei seriös vorgehen will. Im Vorjahr zeigte sich dabei, wie viele mit ihren Prognosen falsch lagen. Kaum einer nannte Joan Mir und dieser wurde vor allem aufgrund der Konstanz Weltmeister und nicht in erster Linie, weil er meist der schnellste war. Hier liegt wohl eines der Grundübel vieler Schreiberlinge, die sich oft sogar auf Testresultate abstützen, um Favoriten daraus abzuleiten. Dabei ist Sepang und Losail laut Aussagen fast sämtlicher Personen im MotoGP Paddock kaum mit irgend einer anderen Strecke im Kalender zu vergleichen. Insofern lassen die Testergebnisse der letzten Tage höchstens Rückschlüsse auf das erste Doppelrennen zu, aber keinesfalls die weitere Saison.

Franco Morbidelli (Petronas Yamaha SRT) – der Italiener nannte Jack Miller als WM-Favoriten, was aufgrund dessen MotoGP Bilanz durchaus erstaunlich erscheint. Vielleicht ist es auch nur ein Ablenkungsmanöver, weil tief in sich drin glaubt Morbido wohl, dass er selbst reif für den Titel ist (© MotoGP).

Der umgekehrte Weg – durchaus interessant

Da viele oder fast alle immer den vermeintlich logischen und einfachen Weg gehen, um die Titelanwärter zu ermitteln, vollziehen wir hier absichtlich die Umkehrung von der Norm. Statt aus den vielen Fahrern diejenigen zu nehmen, welche für den Titel infrage kommen, zählen wir hier auf, was bei einigen von ihnen dagegen spricht. Dabei bleiben am Ende doch noch einige wenigen übrig. Am Ende der Saison sehen wir dann, wer mit seinen Prognosen richtig lag.

Was gegen Jack Miller spricht
Der Australier gilt als sehr Sturz-anfällig, hat in 6 MotoGP Jahren zudem erst einen Grand Prix Sieg eingefahren. Das Jahr war 2016, wo ihm dies das bisher einzige Mal gelang. Andrea Dovizioso als sein Vorgänger war davor wesentlich konstanter als das Original aus Down Under, aber auch der Italiener schaffte nach drei Vizetiteln nie den letzten Schritt. Ducati rennt schon eine halbe Ewigkeit dem Titel nach.

Die Saison 2016 mit dem bisher einzigen Sieg von Jack Miller – dies ist bereits eine ganze weile her. Es war die zweite Saison des Australiers, der ohne diesen Triumph möglicherweise seinen Platz in der Königsklasse verloren hätte.

Was gegen Francesco Bagnaia spricht
Wenn man genau sein will, hatte der neue Ducati Werkspilot nur zwei sensationell starke Rennen im Vorjahr. Eines davon verlor er ohne Schuld durch einen Motorschaden. Ein drittes Mal schied er durch Sturz aus, weshalb man das erste Rennen in Misano mit Platz 2 als einziges Highlight bisher überhaupt zählen kann. In seinem Rookie-Jahr vermochte Pecco überhaupt nicht zu überzeugen. Manch anderer hätte damals an seiner Stelle den Platz in der MotoGP verloren. Der junge Turiner gehört definitiv zu den schnellsten Fahrern derzeit. Aber wie bei Miller zeigte er in der Königsklasse bisher noch zu wenig Konstanz.

Francesco Bagnaia (Ducati) – genau wie Jack Miller hat er im Gegensatz zu Markenkollege Johann Zarco noch nie eine konstante MotoGP Saison geschafft. Der Franzose hingegen war 2017 und 2018 bereits zweimal WM-Sechster im Yamaha Kundenteam geworden (© MotoGP).

Was gegen Maverick Viñales spricht
Der als Wundertüte bekannte Katalane ist einer der wenigen, die Marc Marquez in dessen besten Jahren im Kampf Mann gegen Mann schlugen. Genau wie Fabio Quartararo ist Maverick einer der stärksten Fahrer, wenn es um eine schnelle Runde geht. Doch bisher hatte er immer Phasen, wo es ihm vor allem im Rennen überhaupt nicht lief. Wie Miller und Bagnaia ist er den Beweis der Konstanz über eine ganze Saison bisher schuldig geblieben.

Maverick Viñales (Monster Energy Yamaha) und Takaaki Nakagami (LCR Honda Idemitsu) – die beiden Gegensätze, was das erste Corona-Jahr 2020 betrifft. Der Spanier war oft einer der schnellsten, scheiterte manchmal jedoch im Rennen und der Japaner gilt als Muster an Konstanz, schaffte es aber nie aufs Podium (© MotoGP).

Weshalb es für Pol Espargaró und Kollegen schwierig werden dürfte
Die Honda gilt als eines der unberechenbarsten Bikes, was die Kontrolle der Front betrifft. In Kombination mit dem Katalanen, der bisher zu viele Chancen im Kiesbett begrub, eine unselige Liaison. Um die notwendige Konstanz fast unmöglich zu erreichen, welche es für einen Titel braucht, benötigt der „Spargel-Tarzan“ ein kleines Wunder. Seinen Teamkollegen haben wir gar nicht separat aufgeführt. Bei Marc Marquez ist ein fast noch größeres Wunder notwendig, sollte er wider Erwarten früh zurück sein und dazu gleich wieder in alter Stärke. Eine Rückkehr vor Jerez ist beim zweiten Repsol Honda Piloten fast undenkbar und dann dürfte für ihn der Zug in der WM wohl bereits abgefahren sein. Für seinen Bruder Alex gilt dasselbe wie Pol, er stürzte bereits bei den Tests zu viel und wird dies auch im Lauf der Saison tun.

Pol Espargaró (Repsol Honda) – am Speed wird es bei ihm voraussichtlich kaum fehlen, aber die Gefahr ist bei ihm seine Tendenz, zu oft im Kiesbett zu landen. Sobald Marc Marquez zurück ist, könnte zudem der Druck auf ihn gewaltig werden und zu noch mehr Fehlern als sonst schon bei ihm führen (© MotoGP).

Bei KTM ohne Pol Espargaró kaum Land in Sicht
Wie es derzeit aussieht, wird KTM ohne den Testvorteil vom Vorjahr wohl wieder in die Zweitklassigkeit absteigen. Bestimmt wird es Binder, Petrux und Oliveira gelingen, bei einzelnen Rennen ganz vorne mitzufahren. Aber für den Kampf um den Titel muss man beim ersten Doppelrennen der Saison mithalten können. Danach sieht es bei den Orangen derzeit jedoch nicht aus. Offenbar fehlt mit Pol Espargaró ein wichtiges Glied in der Kette bei KTM, welches Petrucci nicht zu ersetzen vermag.

Danilo Petrucci vor Brad Binder (beide KTM) – die beiden sind jederzeit für einen Podestplatz oder gar einen Sieg gut. Über die ganze Saison gesehen dürfte es voraussichtlich jedoch für keinen der Orangen reichen, ganz vorne mitzuspielen (© MotoGP).

Die verbleibenden und realistischen WM-Favoriten

Aus Respekt vor seinem Titel sollte man trotz fehlender Nummer 1 auf seinem Bike hier zuerst Joan Mir nennen. Wir gehören zu denjenigen, die ihn vorletzte Saison unterschätzt hatten. Nach schwachem Saisonbeginn zeigte der Spanier aber, was in ihm steckt. Im gleichen Atemzug kann man seinen Teamkollegen Alex Rins nennen. Wer ihn in Silverstone 2019 sah, wie er Marquez vor der Ziellinie abfing, kommt am Suzuki Piloten auch für 2021 kaum vorbei. Bei Yamaha sind Quartararo und Morbidelli die klaren Favoriten. Dazu Rossi als Geheimtipp, sollte es von Beginn an im Rennen für den „Dottore“ gut laufen. Bei Ducati ist Johann Zarco der einzige Spitzenfahrer, der bereits zweimal in den Top 6 der MotoGP-Endabrechnung lag. Er ist damit der einzige der Roten, der bisher schnell und konstant war. Bei Honda könnte sich Takaaki Nakagami als einziger mit der notwendigen Konstanz über die ganze Saison zum Hoffnungsträger entwickeln.

Fabio Quartararo (Monster Energy Yamaha) vor Enea Bastianini (Avintia Esponsorama Ducati) – während von den Rookies kaum einer für den Titel infrage kommen dürfte, hat der Franzose im Vorjahr seine Lektion gelernt. Sofern die Yamaha 2021 weniger Schwächen zeigt als im ersten Corona-Jahr, ist der junge Mann aus Nizza ein klarer Titelanwärter (© MotoGP).

Die kombinierten Testergebnisse der 2. Woche in Losail

Die beiden Testfahrer haben wir dabei in Kursivschrift aufgeführt. Auch wenn Stefan Bradl voraussichtlich in den ersten 2 bis 4 Rennen anstelle von Marc Marquez für Repsol Honda fahren wird, ist er trotzdem nicht für das ganze Jahr vorgesehen. Bei Yamaha wird Crutchlow wohl höchstens zum Einsatz kommen, sofern sich einer der vier Fahrer verletzen sollte oder wieder ein positiver Covid-19-Test vorliegen wird.

1. Jack Miller, Ducati, 1:53,183
2. Maverick Viñales, Yamaha, + 0,061
3. Fabio Quartararo, Yamaha, + 0,080
4. Franco Morbidelli, Yamaha, + 0,140
5. Francesco Bagnaia, Ducati, + 0,261
6. Aleix Espargaró, Aprilia, + 0,457
7. Joan Mir, Suzuki, + 0,644
8. Alex Rins, Suzuki, + 0,677
9. Johann Zarco, Ducati, + 0,716
10. Pol Espargaró, Honda, + 0,716
11. Valentino Rossi, Yamaha, + 0,810
12. Takaaki Nakagami, Honda, + 1,079
13. Stefan Bradl, Honda, + 1,244
14. Jorge Martin, Ducati, + 1,300
15. Enea Bastianini, Ducati, + 1,322
16. Miguel Oliveira, KTM, + 1,343
17. Brad Binder, KTM, + 1,508
18. Alex Márquez, Honda, + 1,509
19. Danilo Petrucci, KTM, + 1,712
20. Cal Crutchlow, Yamaha, + 1,815
21. Luca Marini, Ducati, + 1,839
22. Iker Lecuona, KTM, + 2,012
23. Dani Pedrosa, KTM, + 2,457
24. Sylvain Guintoli, Suzuki, + 2,459
25. Lorenzo Savadori, Aprilia, + 2,571

Der provisorische Kalender für 2021

Es ist noch mit vielen Änderungen zu rechnen, insbesondere was die Überseerennen betrifft und Veranstaltungen, die womöglich ohne Zuschauer-Erlaubnis entfallen werden. Dazu gehören beispielsweise Assen, Sachsenring und Silverstone.