Unsere Aufnahme vom Paddock der WorldSBK in Montmeló bei Barcelona – seit der ersten Pandemie-Saison 2020 in den Kalender der Superbike Weltmeisterschaft aufgenommen. Diesmal mit zum ersten Mal dem Europa-Auftakt, was den Vorteil von deutlich angenehmeren Temperaturen als im Sommer oder September hat. Abgesehen davon sind in der Regel auch die Flüge und Übernachtungen im Vergleich zur Hochsaison spott-billig.

Beängstigende Tendenzen im Freitagstraining der WorldSBK in Barcelona

Wie von den Realisten unter Kommentatoren und Experten im Vorfeld befürchtet, zeichnete sich ein wie bereits beim Saisonauftakt in Australien beobachtetes Bild. Auf der Strecke von Montmeló, nahe der katalanischen Metropole Barcelona ist der Reifen-Grip das eine zentrale Thema und das andere hängt mit der langen Start-Ziel-Geraden zusammen. Durch ihr nach wie vor drastisches Handicap infolge der von der FIM erlaubten Maximaldrehzahlen sieht die Aufgabe von Yamaha und Kawasaki gegenüber vor allem Ducati nach einer gewaltigen Herausforderung aus. Die Platzierungen einiger Spitzenpiloten, an deren Fähigkeiten und Speed nicht gezweifelt werden sollte, waren am ersten Tag des WSBK-Wochenendes von Katalonien geradezu beängstigend. Mit als nur Zwölftem Domi Aegerter (Yamaha) vor Michael van der Mark (BMW) und dem WM-Vierten Yamaha Werksfahrer Andrea Locatelli, sowie Garrett Gerloff (BMW) auf P16 blieben einige der schnellsten Piloten im Feld weit hinter den Erwartungen. Einziger Trost dabei ist der Umstand, dass sehr oft die Freitagsergebnisse kein zuverlässiges Indiz für das Rennwochenende sind.

Einzig der bisherige Aruba..it Ducati Werksfahrer Michael Ruben Rinaldi konnte sich mit seiner Panigale V4R nicht in den Top Ten platzieren. Mit Ausnahme von BMW Neuzugang Toprak sind die vordersten Positionen hingegen allesamt für seine Ducati Markenkollegen reserviert, was das Ergebnis des zweiten freien Trainings vom Freitag betraf. Die Rückstände der Ducati Konkurrenz in den Top Ten in Fettschrift waren beängstigend..

Wenig Hoffnung für eine Tendenzwende in der Barcelona Runde

Gegenüber den beiden Vorjahren sollte die Reglementsänderung von FIM und Dorna Linderung bringen, als man dem Druck der Konkurrenzhersteller von Ducati nachgab und ein Minimalgewicht von Fahrer und Maschine einführte. Aber wie von Experten im Vorfeld bereits befürchtet, nützen einige wenige Kilos mehr auf Alvaro Bautistas Panigale V4R herzhaft wenig, solange man seitens der FIM auf hinterhältige Weise wieder die Drehzahllimits vom Beginn von 2023 hernimmt, statt die Ende des Vorjahres gültigen Werte beizubehalten. Damit hätte Ducati 500 U/Min weniger, statt nun wieder als einzige Maschine im Feld eine Maximaldrehzahl von über 16-tausend U/Min für ihre MotoGP Replica nutzen zu dürfen. Was sich bereits beim Saisonauftakt in Australien damit abzeichnete, scheint sich auch in der katalanischen Runde weiter fortzusetzen. Es droht damit eine ähnliche Einseitigkeit und damit verbunden auch Langweiligkeit, wie sie in den vergangenen beiden Jahren zu beklagen war. Die letzten beiden Runden von Barcelona 2022 und 2023 gewann Bautista nach Belieben und profitierte dabei von einem Top-Speed Vorteil von mindestens 10 bis 15 km/h. Dazu kamen seine Vorteile in der Beschleunigung und dank seines Gewichtsvorteiles auch noch der geringste Reifenverschleiss im Feld. Derzeit sieht es ganz danach aus, als könne ihn nur ein Markenkollege schlagen.

Tarran Mackenzie auf der PETRONAS MIE Honda kommt laut eigenen Aussagen (nach dem FP2) mit der für ihn noch völlig neuen CBR-1000RR-R immer besser zurecht. Dem letztjährigen WSSP Überraschungssieger (ebenfalls für MIE Honda, im zweiten Lauf von Most 2023) ist eine weitere Steigerung im Lauf der Saison durchaus zuzutrauen (© MIE Honda).
Streckenskizze des Circuito de Cataluña in Montmeló nahe Barcelona, mit einer für die Ducati-Konkurrenz ähnlich wie in Portimão viel zu langen Gerade. Hier verlieren vor allem die Maschinen von Kawasaki und Yamaha infolge ihrer geringen erlaubten Maximaldrehzahl von kaum über 15000 U/Min in jeder Runde wertvolle Zehntel auf dem 4.657 Kilometer langen Kurs mit 8 Rechts- und 6 Links-Kurven.

Kann die Konkurrenz das Blatt noch wenden?

Selbstverständlich besteht durchaus noch Hoffnung, dass einige Piloten das Bild vom Freitagnachmittag letztlich noch auf den Kopf stellen könnten. An vorderster Stelle sind dabei diesmal weder Kawasaki noch Yamaha zu nennen, sondern etwas überraschenderweise das BMW-Werksteam mit Toprak Razgatlioglu und „Magic“ Michael van der Mark. Die beiden führten vor Jonathan Rea am Freitagmorgen nach dem FP1 die Zeitenliste an und auch der Teamkollege vom Yamaha Neuzugang aus Nord-Irland lag mit P5 nur wenig hinter den besten zurück. Andrea Locatelli traut sich, wie er im Vorfeld im Interview betonte, sogar am Wochenende den Kampf um den Sieg zu. Ausserdem sollte man Alex Lowes trotz verhältnismässig bescheidener Trainingszeiten nicht unterscheiden. Das Kawasaki Ass blieb auch in Australien am ersten Tag ausserhalb der Bestzeiten, um dann am Wochenende der Beste zu sein und als WM-Leader nach Europa zurückzukehren. Dem Engländer und vor allem auch den Yamaha und BMW Piloten sollte dabei entgegenkommen, dass diesmal die Temperaturen in Barcelona so tief sind, wie bisher noch nie. Dies ist natürlich dem Umstand zu verdanken, dass der Circuito de Cataluña erstmals den Europa-Saisonauftakt austragen darf.

Xavi Vierge auf der Werks Honda CBR-1000RR-R machte eine originelle Aussage im Interview vor dem Rennwochenende: „Hätte der Kurs in Katalonien keine Kurven, wären wir mit der sehr schnellen Honda ganz vorne mit dabei“. Dem sympathischen Lokalmatadoren ist zu wünschen, dass der weltgrößte Hersteller bald auch mit dem Fahrwerk hilfreiche Fortschritte erzielt. (© HRC Honda).
Unsere Aufnahme der in unmittelbarer Nachbarschaft beheimateten KRT Kawasaki Hospitality (rechts im Bild). Für Für 9 Jahre die Heimat von Rekordweltmeister Jonathan Rea, bevor der Nord-Ire sich nach drei Jahren ohne Titel für den Wechsel zum Yamaha Werksteam auf diese Saison entschied.

Das Programm in Barcelona für dieses Wochenende

Glücklicherweise gibt es dank dem Zeitunterschied von Portugal gegenüber Spanien durch die MotoGP zumindest für TV und Streaming keine ernsthafte Kollision. Damit besteht für die Fans beider Serien, welche wohl die Mehrheit bilden dürften, kein Interessenkonflikt bezüglich Live-Betrachtung. Für Besucher vor Ort sieht dies aber natürlich anders aus, wobei diese Zahlenmäßig selbstverständlich eine Minderheit darstellen. Erstmals in diesem Jahr ist auch die Nachwuchskategorie von WSSP 300 (siehe nachfolgendes Bild) mit am Start, dazu in Barcelona auch noch die R3 bLU cRU Europa Champ Serie. Besonders interessant dürfte nebst der WSBK aber besonders die WorldSSP werden, bei welcher die Ducati Konkurrenz offensichtlich wenigstens etwas bessere Karten besitzt, um für mehr Ausgeglichenheit zu sorgen. In der Königsklasse der seriennahen Weltmeisterschaft bleibt hingegen nur zu hoffen, dass die schnellsten Piloten von BMW, Kawasaki und Yamaha über sich hinauswachsen, um damit für viel Spannung in den drei Rennen am Wochenende zu sorgen. Andernfalls droht in Barcelona dieselbe Eintönigkeit wie in den beiden Vorjahren, als Bautista sämtliche Läufe völlig ungefährdet und ohne grosse Risiken eingehen zu müssen, absolut überlegen gewann.

Die WorldSSP 300 Piloten mit im Vordergrund dem neuen Safety-Car von Dodge, welches mit seinem V8-Motor nicht weniger als 717 PS auf die Straße bringt.
Unsere Aufnahme von WSSP Urgestein Lucas Mahias, dem Weltmeister von 2017 auf Yamaha. Der immer noch sehr schnelle Franzose aus Mont-de-Marsan ist diese Saison, nach vielen Jahren auf Kawasaki, erneut für Yamaha (im Team GMT94 Yamaha) unterwegs. In der Superpole verpasste er hauchdünn vor Marcel Schrötter (MV Agusta) liegend die erste Startreihe am Freitagnachmittag um weniger als drei Zehntel.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).