Toprak Razgatlioglu (BMW M-1000RR) auf dem Weg zur Unsterblichkeit. Was für seinen früheren Erzrivalen Jonathan Rea noch in weiter Ferne liegen dürfte, schaffte das Ausnahmetalent aus der Türkei bereits im 4. Rennen für das BMW-Werksteam. Nun ist er in einer Liga mit Troy Corser, dem ebenfalls das Kunststück gelungen war, auf drei verschiedenen Fabrikaten siegreich zu sein.

Historischer erster Toprak-Sieg für BMW brachte die Erlösung

Während Jonathan Rea einen weiteren bitteren Tag erleben musste, schaffte sein türkischer Widersacher in Katalonien das beinahe Unmögliche. Für den Nord-Iren war das erste Rennen in Barcelona bereits in der ersten Kurve zu Ende, womit der Rekordweltmeister zum vierten Mal in Folge punktelos blieb. Ganz anders Toprak, der anfänglich von der Poleposition aus entschlossen die Führung übernahm. Doch nach wenigen Runden trat ein, was viele neutrale Fans im Vorfeld bereits befürchtet hatten. Zuerst der kurz danach gestürzte Sam Lowes (ELF Marc VDS Racing Team Ducati) und wenig später Niccolo Bulega auf der Aruba.it Ducati zog in der fünften von 20 Runden vermeintlich uneinholbar an Toprak vorbei, um sich von Runde zu Runde immer deutlicher abzusetzen. Auch dessen Markenkollege Andrea „The Maniac“ Iannone vom privaten GoEleven Team überholte den Türken, der sich jedoch vom Italiener vorerst nicht distanzieren liess. Von weit hinten arbeitete sich derweil Bulegas Teamkollege Bautista wie erwartet immer weiter nach vorne, bis er sogar Iannone ein und überholen konnte. Razgatlioglu hingegen hatte sich den Mann mit der Nummer 29 davor bereits wieder geschnappt und kam dem lange Zeit einsam führenden bedrohlich näher.

Kiesbetten-Experte Sam Lowes (ELF Marc VDS Racing Team Ducati Panigale V4R) führte in der dritten und vierten Runde, bevor der Zwillingsbruder von Kawasaki Ass Alex in Kurve 10 seine Sensationsfahrt für das neue Team von Marc van der Straaten mit einem Crash vorzeitig beendete. Danach schien der Weg zum zweiten Saisonsieg für Bulega frei, aber der amtierende WSSP Weltmeister hatte nicht mit Toprak gerechnet.
Bautista nach 6 Siegen in Folge trotz Aufholjagd geschlagen – Bulega zahlt Lehrgeld

Offensichtlich hatte Bulega seinen Reifen ab dem zweiten Renndrittel eindeutig zu viel zugemutet, womit es in der letzten Runde zur Sensation kam und Toprak den Auftaktsieger von Lauf 1 in Australien letztlich noch abfangen konnte. Der historische erste Sieg für BMW auf dies dazu auf dem Circuito de Cataluña war damit Tatsache und brachte die lange erhoffte Erlösung für die bayerische Marke. Seit Michael van der Marks Sprint-Race Sieg in Portugal auf nasser Strecke im Jahr 2021 hatte die deutsche Marke auf diesen Moment warten müssen und dank ihrer Beharrlichkeit und ständigen Weiterentwicklungen, sowie dem Ausnahme-Könner aus Alanya gelang dieses Kunststück ausgerechnet auf dem Kurs, auf welchem es am wenigsten erwartet werden durfte. Ducati bleibt in Montmeló aber weiterhin die Marke, die es zu schlagen gilt und für das zweite Rennen über die volle Distanz dürfte das Ergebnis des Superpole-Rennens vom Sonntagmorgen ausschlaggebend sein. Dank unerwartet schlechter Superpole und einem Penalty aufgrund Schleichfahrt war Bautista nur vom 14. Startplatz ins Rennen gegangen. Im Tissot Sprint-Race wird es Position 11 sein und damit hat er in diesem Lauf immer noch die Chance, auf eine der vorderen zwei Reihen vorzustossen, sollte es der Spanier in die Top-Sechs schaffen.

Unsere Zusammenfassung der Resultate vom Europa-Auftakt in Barcelona, mit einem geschichtsträchtigen Resultat für Toprak und BMW. Ohne den Ausnahmekönner wäre es unbestritten zum nächsten Ducati-Festival geworden, nachdem in den beiden Vorjahren Bautista sämtliche Läufe nach Belieben gewann.

Erwarteter Rückschlag von Australien Sieger Lowes – Rea am Tiefpunkt

Wir hatten im Vorfeld bereits vor verfrühter Freude auf die WM-Führung von Phillip Island Gesamtsieger Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR) gewarnt. Der schnelle Engländer aus Lincoln machte alles richtig und teilte sein Rennen geschickt ein, womit er im Ziel nebst drei Ducatis nur Ausnahmekönner und Sieger Toprak, sowie Andrea Locatelli direkt vor sich hatte. Dank Platz zwei schob sich Bulega um einen Punkt an ihm vorbei und damit ist Alex nach nur einem Rennen nicht mehr Leader im Zwischenklassement. Für ihn besteht am Sonntag natürlich die Gefahr, dass er weiter an Boden verliert, wobei Toprak und Bautista nach Lauf 1 immerhin noch 17 Punkte hinter Lowes liegen. Die besten Chancen hat das Kawasaki Ass wohl im Tissot Sprint-Race am Sonntagmorgen, um erstens möglichst viele Punkte zu holen und zweitens seine aktuell siebte Startposition noch zu verbessern. Im Vergleich zu seinem langjährigen Teamkollegen kann sich Alex jedoch nicht beschweren. Der bereits vierte Nuller für Yamaha Neuzugang Jonathan Rea ist nur ein weiterer Tiefschlag, nach einem katastrophalen Saisonauftakt und mit 2023 der schlimmsten Saison seit sehr vielen Jahren.

Unsere Aufnahme der Kurven 10 und 11 (im Hintergrund), sowie der langgezogenen zwölften von 14 Ecken des Circuito de Cataluña. Links von der Acerbis-Werbung die sogenannte VIP-Tribüne, von welcher recht häufig zahlreiche Stürze und vorentscheidende Überholmanöver aus nächste Nähe zu beobachten sind. An dieser Stelle fand auch das Rennen von Sam Lowes am Samstag ein vorzeitiges Ende, als er in Turn 10 im Kiesbett landete.

Die Geschichte von Australien scheint sich zu wiederholen

Wie auf dem sehr schnellen Kurs von Phillip Island wirkte auch das Rennen am Samstag in Barcelona wie eine Zweiklassen-Gesellschaft. Wie im Vorfeld erwartet, waren die Ducati-Piloten auf der Panigale V4R der Konkurrenz von Yamaha und Kawasaki mit um 900, respektive 1000 U/Min höherer Maximaldrehzahl auf den Geraden wie in den Jahren davor haushoch überlegen. Lediglich BMW und Honda können in diesen Abschnitten mit lediglich halbem Nachteil (von 600, respektive 500 U/Min tieferer Maximaldrehzahl) halbwegs mithalten. Die Ducati-Konkurrenz fühlt sich damit von FIM und Dorna trotz dem per 2024 eingeführtem Minimalgewicht ein weiteres Mal verschaukelt, da die Ducati Ende 2023 noch um 500 U/Min weniger hoch drehen durfte. Damit deutet vieles darauf hin, dass höchstens einer der Ducati Piloten dem Titelverteidiger aus Spanien seine dritte Weltmeisterschaft in Folge diese Saison streitig machen kann. Einzige Ausnahme dabei womöglich Toprak, sofern es dessen BMW-1000-RR nicht wie im zweiten Lauf von Australien in Zukunft wiederholt an Standfestigkeit mangeln sollte.

Alvaro Bautista vor Ducati Markenkollege Andrea Iannone und den beiden Yamahas von Andrea Locatelli und Remy Gardner. Speziell auf der über einen Kilometer langen Start-Zielgeraden des Circuito de Cataluña entstand wie in den beiden Vorjahren der Eindruck einer Zweiklassengesellschaft.

Die Gewinner und Verlierer des ersten WorldSBK Laufs von Barcelona

Nebst den drei Männern auf dem Podium war der ehemalige MotoGP Pilot Andrea Iannone der eindeutig Erfolgreichste Pilot im ersten Lauf. „The Maniac“ ist derzeit nicht nur bestplatzierter Privatfahrer, sondern mit dem fünften Zwischenrang und nur einem Punkt Rückstand auf Bautista und Toprak, darf man den Italiener getrost zu den Mitfavoriten auf den Titel zählen. Andrea Locatelli auf der besten Yamaha hatte eigentlich das Podium als Zielsetzung, aber auf Strecken wie Barcelona ist er punkto Beschleunigung und Top-Speed selbst gegenüber den privaten Ducatis deutlich im Nachteil. Insofern muss man ihn als fünften eindeutig zu den Gewinnern zählen. Alex Lowes (Kawasaki) als Sechster und Dominique Aegerter auf der zweitschnellsten Yamaha mit P8 hielten den Schaden in Grenzen und zeigten eine ansprechende Leistung. Danilo Petrucci (Barni Spark Racing Team Ducati) hingegen gehört mit Rang 7 wie Remy Gardner (GYTR GRT Yamaha WorldSBK Team) als nur fünfzehnter und Michal van der Mark mit P9 eindeutig zu den Verlieren vom Samstag. Letzterer lag zeitweise auf Position 4, „Petrux“ kurz nach Rennmitte auf P5 und der Australier tauchte am Ende vom ersten Rennviertel kurz in den ersten sieben auf, bevor auch er deutlich an Boden verlor.

Tarran Mackenzie (PETRONAS MIE Racing Honda Honda CBR1000 RR-R) auf der Verfolgung von Bradley Ray (Yamaha Motoxracing WorldSBK Team) und Philipp Oettl (GMT94 Yamaha), welche er beide im Verlauf des Rennens zu bezwingen vermochte. Trotzdem der schnelle Engländer mit Rang 16 knapp seinen ersten WM-Punkt verpasste, muss man ihn definitiv zu den Gewinnern zählen (© Petronas MIE Racing Honda).
Jonathan Rea (Pata Prometeon Yamaha Yamaha YZF R1) war nach seinem Debakel in Australien erneut der Pechvogel des Tages. Der Nord-Ire dürfte dieses Jahr zum dritten Mal nacheinander chancenlos sein, was den Titelkampf betrifft. Traurigerweise sieht es derzeit ganz danach aus, als sei die Zeit der sympathischen Rekord-Weltmeisters mittlerweile endgültig abgelaufen.

Das erste Europa-Rennen der WorldSSP

Bis zur Rennmitte sah es ganz danach aus, als könnte der Weltmeister von 2017 auf Yamaha um den Sieg mitkämpfen. Aber Lucas Mahias (GMT94 Yamaha) als zusammen mit Raffaele de Rosa (QJMOTOR Factory Racing) erfahrenstem Piloten im Feld war das Glück am 23. März 2024 nicht hold. Der Franzose fiel wie in der WSBK Sam Lowes durch Sturz in Kurve 10 aus und der kleine Italiener blieb wenig später mit einem technischen an seiner chinesischen QJMOTOR SRK 800 RR stehen. Einzig Stefano Manzi (Pata Yamaha Ten Kate Racing) konnte dem führenden Adrian Huertas auf dessen Werks-Ducati halbwegs folgen, während Marcel Schrötter (MV Agusta Reparto Corse) anfänglich wohl zu viel Boden auf die Spitzengruppe verlor, um am Ende noch ernsthaft um den Sieg mitreden zu wollen. Trotzdem darf der Deutsche nach seinem dritten Podestplatz in Folge stolz auf sich sein und im Zwischenklassement fehlen ihm nur 9 Punkte auf Leader Manzi, genauso groß ist sein Vorsprung auf den Sieger im ersten Lauf von Katalonien. Genau wie in der WorldSBK ist die Werks-Ducati auch für den Sonntag favorisiert, aber Huertas muss erst noch seinen Rückstand infolge Ausfall im ersten Rennen der Saison wettmachen, um die Führung in der Weltmeisterschaft übernehmen zu können.

Marcel Schrötter (MV Agusta Reparto Corse) vor Yari Montella (Barni Spark Racing Team Ducati) und Valentin Debise (Evan Bros. WorldSSP Yamaha Team). Der Deutsche zeigte erneut eine für ihn typische Aufholjagd, ihm fehlt mittlerweile womöglich nur noch ein Sieg, um den Knoten ganz zu lösen und im Weltmeisterschafts-Titelkampf ganz vorne mitzuwirken.
Unsere Zusammenfassung der Resultate vom Europa-Auftakt der mittleren Klasse in Barcelona, mit einem wenig überraschenden Sieg für den Ducati Werkspiloten Adrian Huertas aus Spanien. Neutrale Beobachter werden das Gefühl nicht los, als unternehmen FIM und Dorna in den letzten Jahren alles, um die italienische Marke zu bevorzugen. Dies unterstreichen die WorldSBK und WSSP Weltmeisterschaft im Vorjahr jedenfalls deutlich, als Bautista und Bulega fast nach Belieben gewannen.
Streckenskizze des Circuito de Cataluña in Montmeló nahe Barcelona, mit einer für die Ducati-Konkurrenz ähnlich wie in Portimão viel zu langen Gerade. Hier verlieren vor allem die Maschinen von Kawasaki und Yamaha infolge ihrer geringen erlaubten Maximaldrehzahl von kaum über 15000 U/Min in jeder Runde wertvolle Zehntel auf dem 4.657 Kilometer langen Kurs mit 8 Rechts- und 6 Links-Kurven.

Saisonpremiere für die WorldSSP 300 mit niederländischem Sieger

Für das Freudenberg KTM-PALIGO Racing lagen beim ersten Rennen der Saison Freud und Leid wahrhaft nahe beieinander. Während deren deutscher Nachwuchspilot Philipp Tonn nicht einmal die erste Runde vollendete, stand am Ende mit Jeffrey Buis sein Teamkollege zuoberst auf dem Podium. Allerdings hatte der junge Niederländer die Ziellinie nur als Zweiter hinter Inizio Iglesias Bravo gekreuzt. Aber dem Spanier wurden nach dem Rennen drei Sekunden auf seine Zeit draufgeschlagen, weil er seinen Long Lap Penalty nicht absolviert hatte. Damit wurde der Fusport-RT Motorsport by SKM-Kawasaki Pilot am Ende des Tages lediglich Dreizehnter und erhielt nur 3 statt 25 Punkte. Er war zudem nicht der einzige nach dem Rennen bestrafte Fahrer. Die Italienner Gennai und Bartolini, sowie den Niederländer Buman ereilte dasselbe Los. Wie so oft war die Nachwuchskategorie der Lauf am Samstag mit den meisten Ausfällen, wobei es auch den Superpole schnellsten Julio Garcia Gonzalez auf der chinesischen Kove 321RR erwischte. Nachdem er wegen zuvor gefährlicher Fahrweise von Startplatz vier statt der Poleposition losfahren musste, hatte ihn ein technisches Problem nach nur 5 Minuten ausser Gefecht gesetzt.

Die WorldSSP 300 Meute mit vorne rechts Jeffrey Buis (Freudenberg KTM-PALIGO Racing, Nummer 1) und rechts dahinter mit der 53 dem Tschechen Petr Svoboda, dem im Ziel nur 0.187 Sekunden auf das Podium fehlten. Bruno Ieracci (Team ProDina Kawasaki) mit der 8 fiel nach einer Runde durch Sturz aus und die 91 links mit Matteo Vannucci (Pata Yamaha AG Motorsport Italia) holte am Ende mit P14 zwei Punkte.
Unsere Aufnahme von der Fußgängerbrücke vom Paddock zur sogenannten VIP-Tribüne im Hintergrund rechts. Bestimmt einer der gefragtesten Orte bei den Besuchern, da von dort eine sehr gute Aussicht für die letzten Kurvenkombination vor Start-Ziel möglich ist.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).