Dank Toprak kein Einheitsbrei am WorldSBK Sonntag in Katalonien
Ohne den Türken wäre der Finaltag des Barcelona Wochenendes aus sportlicher Sicht, zumindest was den Kampf um den Sieg betrifft, so gut wie wertlos geworden. Auch wenn BMW Neuzugang und Ausnahme-Könner Toprak Razgatlioglu am Sonntag, wie von uns tags zuvor angekündigt, im letzten Lauf des Tages absolut chancenlos blieb, am Morgen sorgte er für die Sensation der zweiten WSBK Runde von 2024. Für seinen bis 2021 härtesten Widersacher Jonathan Rea, als sein Nachfolger im Pata Prometeon Yamaha Werksteam hingegen, fand auch der letzte Tag in Barcelona keinen versöhnlichen Abschluss. Auch sein neuer Teamkollege Andrea Locatelli erlebte jedoch im Abschlussrennen einen Albtraum. Ähnlich Domi Aegerter, der zwei Jahre davor noch in der WorldSSP überlegen gewonnen hatte und auch 2023 den Circuito de Cataluña noch mit einem Topresultat als WSBK-Rookie verlassen. Für Andrea Iannone lagen hingegen Freud und Leid am Finaltag des ersten Events von diesem Jahr auf spanischem Boden sehr nahe beieinander. Nachfolgend aber die wichtigsten Ereignisse, oder wenigstens einige davon, vom dritten Tag in Montmeló in ihrer chronologischen Reihenfolge
Das Sprintrennen als Highlight des Barcelona-Wochenendes
Es passiert nicht oft, dass ausgerechnet das 2019 neu eingeführte Tissot Sprint-Race den Höhepunkt einer WorldSBK Runde beinhaltet. Diesmal jedoch behaupten wir, traf genau dies am Sonntagmorgen des 24. März 2024 in Montmeló bei Barcelona zu. Wie im ersten Lauf am Vortag schoss zu Beginn Sam Lowes auf seiner ELF Marc VDS Racing Team Ducati Panigale V4R bereits in der ersten Runde in Führung. Statt wie am Samstag mit einem Sturz, verabschiedete sich der nach Andrea Iannone beeindruckendste Rookie dieser Saison diesmal mit nachlassender Performance aus der Spitzengruppe und wurde am Ende nur Elfter. Ab Runde 4 entwickelte sich danach ein beinharter Kampf um die vordersten Positionen, bei welchen anfänglich Iannone, Bulega und Razgatlioglu die Hauptdarsteller waren. Ab dem drittletzten Umgang entwickelte sich danach ein Zweikampf zwischen Toprak und dem Vorjahressieger. Alvaro Bautista hatte sich von Startplatz 11 nach vorne gearbeitet und übernahm in der Schlussrunde vom Türken die Führung. Doch wer den BMW Neuzugang ein wenig kennt, dem war dabei klar, dass dieser selbst die winzigste Lücke suchen würde, um am spanischen Winzling nochmals vorbeizukommen.
Razgatlioglu schlägt Bautista im Stil von Valentino Rossi
Man darf die letzte Runde des Tissot Sprint-Race von Katalonien getrost als Revanche sehen, für das von Toprak im Vorjahr in Portimão erlebte. Damals hatte der Türke in den Kurven seinen Widersacher Alvaro Bautista auf dessen Ducati förmlich deklassiert, um jeweils in der Beschleunigung und auf den Geraden von diesem wieder mühelos überholt zu werden. Dieses Los drohte Razgatlioglu wie im Vorfeld befürchtet auch in Barcelona. Aber weil das Superpole-Rennen nur 10 Runden dauert und die BMW M-1000RR der Panigale V4R dank weniger Drehzahl-Benachteiligung nicht derart unterlegen ist wie die Yamaha R1, war eine kleine Chance da, das eigentlich Unmögliche zu schaffen. Diesen Strohhalm packte Toprak, als er ganz im Stil von MotoGP Ikone Valentino Rossi den kleinen Spanier noch in der Zielkurve abfing und innen, obwohl kaum Platz dafür da war, am verdutzten Ducati Werkspiloten vorbei stach. Dieser verliess kurz die Linie, was der dahinter liegende Iannone sofort ausnutzte, um sich Rang zwei zu holen. Dahinter Bulega, Alex Lowes, der wiedererstarkte „Magic“ Michael van der Mark, Danilo Petrucci, Andrea Locatelli und mit dem letzten Punkt Remy Gardner vor dem Schweizer GYTR GRT Yamaha Teamkollegen Aegerter.
Eintönigkeit zum Abschluss – Ducati Doppelsieg wie zuvor erwartet
Jedem halbwegs eingeweihten Betrachter musste klar sein, dass die Startposition in Reihe eins aus Alvaro Bautista den haushohen Favoriten über die volle Distanz machen würde. Dies besonders, nachdem sein Aruba.it Ducati Werksteam-Kollege Nicolo Bulega am Vortag sein Reifen-Management nicht im Griff hatte und letztlich den Sieg mit komplett zerstörten Gummis noch kurz vor dem Ziel noch herschenken musste. Diesmal hielt sich der italienische Rookie und amtierende WSSP Weltmeister ab Rennmitte hinter seinem Mannschafts-Kameraden, aber gegen Ende wurde klar, dass es nichts aus seinem zweiten Saisonsieg werden würde und Bautista damit das erste Mal in diesem Jahr gewann. Toprak stand beim Interview nach Platz drei die Enttäuschung ins Gesicht geschrieben, aber letztlich konnte sich der BMW Neuzugang doch über seine beiden vorherigen Laufsiege und das beste Ergebnis aller Teilnehmer an diesem Wochenende freuen.
Die Tops und Flops des letzten Rennens
Einen achten Rang von Jonathan Rea als Highlight zu feiern, verbietet uns der Anstand. Normalerweise ist für den Rekordweltmeister und besten WorldSBK Piloten aller Zeiten alles andere als ein Podium in der Regel als Katastrophe zu verzeichnen. Aber nach 5 Nullern in Folge ist das erste Top-Ten Resultat so etwas wie eine Erlösung für den Nord-Iren und sein von viel Pech gebeuteltes neues Team. Dass mit Ausnahme vom ersten Rennen am Samstag auch für Andrea Iannone nichts mehr nach Wunsch lief, unterstreicht das womöglich schlechteste Wochenende vom Pata Prometeon Yamaha seit längerer Zeit noch zusätzlich. Aber zum Glück kommen ab nun die für sie besseren Strecken, auf welchen die durch FIM und Dorna bestimmten Nachteile gegenüber Ducati weniger hart zum Tragen kommen. Für die Ducati Privatfahrer lief es diesmal höchst unterschiedlich. Danilo Petrucci verzeichnete immerhin zwei Top-Ten Resultate und einen fünften Rang, während Andrea Iannone nach zwei hervorragenden Rennen mit einem Crash in Lauf zwei keinen guten Abschluss in Montmeló erwischte. Noch schlimmer lief es für Landsmann Michael Ruben Rinaldi, mit nur einem elften Platz am Samstag und null Punkten samt Sturz am Sonntag. Letzteres blieb Philipp Oettl zwar erspart, aber der Deutsche konnte auf der Yamaha bislang noch nicht an seine teils beeindruckenden Ergebnisse auf der GoEleven Ducati in den beiden Vorjahren anschliessen. Speziell in Australien und Barcelona sollte man ihm dies (infolge Top-Speed Manko) jedoch nachsehen.
Die unklaren Fälle bezüglich ihrer Performance in Katalonien
Bei Dominique Aegerter und Garrett Gerloff liegt der Fall ähnlich wie bei Scott Redding. Das Wochenende in Montmeló lief für sie sehr unterschiedlich und nebst Enttäuschungen gab es doch auch Resultate, die zu Hoffnung auf eine Aufwärtstendenz berechtigen. Ersterer war jetzt in sechs Rennen stets in den ersten Zehn und damit gibt es nichts zu meckern, wobei es ihm zu Beginn des Vorjahres deutlich besser gelaufen war. Aber aufgrund einer Virusinfektion konnte der Schweizer an den letzten beiden Tests vor dem Australien-Abstecher nicht teilnehmen, weshalb sein Team mit seinen Leistungen zufrieden sein muss. Der Texaner hingegen dürfte vor allem mit dem Europa-Auftakt nicht richtig zufrieden sein. Obwohl Gerloff am Sonntagnachmittag sein drittes Top-Ten Ergebnis der Saison holte, war seine Ausbeute in Barcelona zu Yamaha Zeiten insbesondere in seinem Rookie-Jahr 2020 schon wesentlich erfolgreicher. Wie Redding hatte er damals sogar ein Podium geholt, bei Garrett war es gar das erste der WSBK-Karriere. Ersterer hörte in Katalonien mit exakt demselben Resultat auf, das er bereits beim ersten Lauf der Saison geholt hatte.
Zwischenwertung in der Weltmeisterschaft und wie es weitergeht
Von der dritten Runde in Assen dürfen sich die Fans das womöglich erste offene Wochenende erhoffen, bei welchem die seit 2019 die Szene beherrschenden Vorteile von Ducati endlich weniger ins Gewicht fallen dürften. In der „Cathedral of Speed“ im Land der Windmühlen ist die Start-Zielgerade angenehm kurz. Aus diesem Grund sollte die Ducati-Konkurrenz im Gegensatz zu beispielsweise Phillip Island, Katalonien, Aragon oder Portugal trotz Nachteilen in Beschleunigung und Top-Speed doch halbwegs auf Augenhöhe mitkämpfen können. Wir freuen uns jedenfalls bereits sehr, aus den Niederlanden von einem hoffentlich spannenden Event berichten zu können. Im Gegensatz zu MotoGP Wochenenden auf diesem Kurs ist die Superbike Weltmeisterschaft eine sehr entspannte Angelegenheit, ohne Staus bei An- und Wegfahrt, sowie kaum Wartezeiten an den Verpflegungsständen und dazu im internationalen Vergleich auch noch sehr preisgünstig. Die Weltmeisterschaft ist nach erst einem Sechstel der Saison 2024 diesmal noch völlig offen. Zum Glück gibt es auch bereits 4 verschiedene Sieger in den ersten beiden Runden und erstmals seit 2021 besteht sogar wieder die Chance auf einen echten Titelkampf.
WorldSSP mit Red Flag Race – Schrötter verpasst ersten Sieg hauchdünn
Im Gegensatz zu vorher dem zweiten Rennen der WSBK bot die mittlere Kategorie jede Menge Dramatik. Dazu kam noch eine rote Flagge und jede Menge Spannung durch eines der umstrittensten und letztlich auch knappsten WSSP-Rennens der letzten Jahre. Im ersten Teil sorgte ein heftiger Crash des Polen Piotr Biesiekirski nach 6 Runden für einen Abbruch, da dieser zuerst per Bahre geborgen werden musste. Danach setzte es im auf dieselbe Distanz reduzierten Schluss-Sprint einen beinhart geführten Kampf um den Sieg ab, bei welchem am Ende die ersten 5 innerhalb von 0.714 Sekunden die Zielflagge kreuzten. Dabei hatte letztlich Stefano Manzi vom Pata Yamaha Ten Kate Racing hauchdünn die Nase vor Marcel Schrötter (MV Agusta Reparto Corse), Lucas Mahias (GMT94 Yamaha) und Yari Montella (Barni Spark Racing Team Ducati). Während Altmeister Mahias aus Frankreich sich über das erste Podium seit Jahren freute, war auch der WM-Leader aus Italien trotz P4 zufrieden. Bittersüss war es höchstens trotz Rang 2 für Schrötter.
Revanche von Iglesias im WorldSSP 300 Rennen
Am Vortag hatte es einen veritablen Skandal gegeben, der mal wieder auf dem Mist der obersten Motor-Sportbehörde FIM angerichtet wurde. An der Siegerehrung verspritzte dabei Inigo Iglesias Bravo seinen Sieges-Champagner, nur um Stunden später von seiner Rückversetzung aufgrund eines laut den findigen Funktionären nicht angetretenen Long-Lap Penaltys zu hören und den Pokal wieder zurückgeben zu müssen. Dies ist nicht nur peinlich, sondern auch für Betrofffene und Berichterstatter höchst ärgerlich, wenn innert kürzester Zeit alles auf den Kopf gestellt wird. Aber der junge Spanier gab die bestmögliche Antwort auf seinen Ärger und die aus seiner Sicht höchst unfaire Behandlung tags darauf auf seiner Kawasaki Ninja 400. Er hatte hauchdünn die Nase vorn, als nicht weniger als eine Meute von 12 Piloten innerhalb von einer Sekunde die Zielflagge passierten. Damit sorgte er zudem dafür, dass an diesem Wochenende letztlich doch noch eine Kawasaki gewann, nachdem dies in Runde 1 von Australien Alex Lowes in der WorldSBK zweimal gelungen war. Jeffrey Buis (Freudenberg KTM-PALIGO Racing) war als Sieger des Samstags-Rennens (eigentlich hinter Iglesias allerdings als Zweiter im Ziel angekommen) diesmal nur Platz 17 geblieben, womit der Niederländer die Punkteränge verpasste. Allerdings fehlten ihm keine zwei Sekunden auf den Gewinner des zweiten Laufs, was die Leistungsdichte in der Nachwuchs-Kategorie eindrücklich unterstreicht.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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