Iker Lecuona (Team HRC, Honda CBR1000 RR-R) geht angeschlagen in sein Heimrennen auf dem Circuito de Cataluña, nachdem er sich beim Saisonauftakt in Phillip Island (Australien) schwer verletzt hatte. Allgemein scheint das Honda Werksteam trotz neuem Modell und starker Bemühungen derzeit immer noch weit davon entfernt zu sein, den Anschluss an die Konkurrenz zu schaffen (© HRC Honda).

Katalanische Premiere für den Europa Auftakt der WorldSBK

Nachdem mit Ausnahme der Pandemiesaison 2020 mit Jerez und 2023 mit Assen die Europa-Saison jeweils im Motorland Aragon stattfand, kommt Montmeló bei Barcelona erstmals als Auftaktrennen der Superbike Weltmeisterschaft in Europa zum Zug. Für neutrale Fans der WSBK waren die letzten beiden Jahre auf dieser auch für MotoGP und Formel 1 genützten Strecke jedoch an Einseitigkeit fast nicht zu überbieten, was die Entscheidung um den Sieg betraf. Zu stark war dank den von FIM und Dorna seit Jahren vergebenen Privilegien der Vorteil für die MotoGP Replica von Ducati. Mit rund 1000 U/Min höherer Maximaldrehzal gegenüber den stärksten Konkurrenten von Kawasaki und Yamaha waren selbst die Privatpiloten auf der Ducati Panigale V4R auf der langen Geraden und auch in der Beschleunigung haushoch überlegen. Die Resultate vom Saisonauftakt in Australien lassen für dieses Jahr schlimmstes zu befürchten, sieht man von der Ausnahmeleistung von Kawasaki Ass Alex Lowes im letzten Rennen ab. Der 33-jährige Zwillingsbruder von Rookie Sam (ELF Marc VDS Racing Team Ducati) siegte vor nicht weniger als 6 Ducati Fahrern, von denen nur der Zweite und Fünfte eine Werksmaschine fuhren.

Tabellenführer Alex Lowes (Kawasakii ZX-10RR) kam vor vier Jahren in seiner ersten Saison für die Grünen bereits einmal als Führender in der Weltmeisterschaft nach Europa. Der schnelle Mann aus Lincoln (England) wurde seine Spitzenposition in der Wertung jedoch bereits beim Europa-Auftakt in Jerez wieder los. Leider ist zu befürchten, dass sich diesbezüglich die Geschichte von 2020 dieses Jahr wiederholt. Bei den zweitägigen Tests nahe Barcelona stürzte er jedenfalls bereits mehrmals.

Ähnliches Bild wie in Australien nach den Testfahren in Katalonien

Wäre der amtierende Weltmeister Alvaro Bautista (Aruba.it Ducati) wie viele anderen bei den offiziellen Tests in Kurve 10 nicht gestürzt, hätte es der Spanier bestimmt auf die vorderen Positionen geschafft. So waren es einzig BMW Neuzugang Toprak mit der zweitschnellsten Zeit und das neue Yamaha Duo Rea und Locatelli, welche die Ducati Phalanx auf den ersten 7 Plätzen sprengten. Dass auf den Positionen 3 und 4 jedoch mit Danilo „Petrux“ Petrucci und Andrea „The Maniac“ Iannone zwei Privatpiloten auf der Ducati Panigale V4R landeten und deren Markenkollege Sam Lowes mit Platz 7 glänzte, wirkt für die Konkurrenz der italienischen Marke aus Borgo Panigale bei Bologna und deren Fans höchst bedrohlich. Was im Vorjahr und 2022 passierte, hat mit spannendem Motorrad-Rennsport leider wenig zu tun, da der Sieger jeweils bereits vor dem Start so gut wie feststand. Bis auf die Ducatisti freuen sich darüber auch die wenigsten und die Spannung geht, wie die letzten beiden Jahre bewiesen, so gut wie komplett verloren.

Die kombinierte Rangliste des offiziellen Zweitage-Tests von Barcelona am 14. und 15. Februar, mit den schnellsten 17 Zeiten. Wie so oft mit einem infolge Trainingssturz kurz vor Schluss unerwartet weit hinten liegenden amtierenden Weltmeister Bautista. Eigentlich ist dies wie so oft aber nur der Beleg dafür, dass Testzeiten in der Regel wenig aussagekräftig für das Rennwochenende sind.
Jonathan Rea (Pata Prometeon Yamaha) auf seiner für ihn noch reichlich neuen und ungewohnten YZF R1 beim Test in Montmeló. Kann der Nord-Irische Ausnahmekönner und Rekordweltmeister sein desaströses Erlebnis von Australien beim diesjährigen Saisonauftakt in Katalonien vergessen machen? Es wäre ihm und den echten Rennsport-Fans jedenfalls zu wünschen. Ohne ihn hätte Bautista bereits 2019 auf der damals neuen Panigale V4R nach belieben gewonnen, bevor in den beiden Jahren danach auf der Honda sein wahres Potenzial sichtbar wurde, als lediglich zwei dritte Plätze pro Saison als Bestergebnis resultierten.

Geringe Tendenz für eine Verbesserung der Situation

Nach 6 klaren Siegen von Bautista in den vorherigen beiden Jahren deutet immer noch alles darauf hin, dass sich an der Überlegenheit der einzigen MotoGP Replica im Feld selbst durch (allerdings in ihrer Wirkung höchst fragwürdigen) Reglements-Änderungen durch die FIM so gut wie nichts änderte. Wie locker beispielsweise Bautista im Vorjahr in Portimão gewann, obwohl ihn Toprak im kurvigen Teil des Autodromo do Algarve förmlich deklassierte, ist den meisten Fans noch in bester Erinnerung. Mit seiner ähnlich langen Geraden kommt dem Circuito de Cataluña deshalb eine Schlüsselrolle zu, was die Tendenz für die Saison 2024 betrifft. Sollten die Werksfahrer der Konkurrenz erneut sogar gegen private Ducatis hier chancenlos sein, ist der Käse so gut wie gebissen und die Weltmeisterschaft dürfte zum dritten Mal in Folge für Aruba-Ducati zu einer Spazierfahrt werden. Egal ob es dann Bulega oder der Spanier ist, welcher am Ende den Titel holt. Damit bestünde eine sehr geringe Tendenz für eine Verbesserung der Situation, egal ob Toprak oder Rea in Barcelona über sich hinauswachsen sollten.

Die Situation bezüglich der erlaubten Maximaldrehzahl hat sich auch für 2024 nicht verbessert, womit die Ducati Panigale V4R gegenüber der Konkurrenz mit deutlich höherer erzielbarer Leistung und breiterem Drehzahlband wie seit 2019 stark bevorteilt ist. Das Resultat ist vor allem eine bessere Beschleunigung, sowie ein etwa 10 bis 20 Km/h höherer Topspeed gegenüber Kawasaki und Yamaha. Damit konnte Alvaro Bautista in den beiden Vorjahren teils bis zu 3 oder 4 Gegner auf langen Geraden gleichzeitig überholen.
Remy Gardner (GYTR GRT Yamaha WorldSBK Team) gilt nach seiner Rookie Saison als eine der größten Hoffnungen für die japanische Marke. Der Moto2 Weltmeister von 2021 bewies aber Saisonmitte des Vorjahres eine steigende Form und hatte beim Saisonauftakt in seiner Heimat im Februar dieses Jahres viel Pech. Kann der Australier sein Talent beim Europa-Auftakt unter Beweis stellen?

Abwechslungsreiches Programm – gestört von einer Terminkollision

Es ist beinahe unglaublich, wie Rechteinhaber Dorna bei der Kalender-Planung in erster Linie nur auf die Vermeidung von Kollisionen der MotoGP mit Formel 1 achtet, während ihnen dies bei der WorldSBK völlig egal zu sein scheint. Damit kannibalisieren sie die seriennahe Weltmeisterschaft zum Leidwesen der Fans bereits beim Europa-Auftakt, weil am selben Wochenende fast zeitgleich der Grand Prix von Portugal auf dem Autodromo do Algarve stattfindet. Die Veranstalter der WSBK Runde von Barcelona bemühten sich jedenfalls für ein höchst abwechslungsreiches Programm, um den Fans, wobei dies für manch einen Geschmack womöglich zu viel des Guten sein dürfte. Wer sich beispielsweise für ein Ticket mit Zutritt ins „Panorama Village Music Stage“ gönnen möchte, muss dafür selbst nur für am Samstag beinahe 300 EUR hinblättern, obwohl er dort höchst wenig vom Renngeschehen mitbekommen dürfte. Ob es das Catering von Spanischen Dreisterneköchen damit wert ist, soll jeder für sich selbst entscheiden.

Wie immer in der WorldSBK gibt es im Gegensatz zur MotoGP nur einen Eingang, was leider den Zutritt zur Strecke jeweils zum Geduldsspiel macht. Vorsicht auch, wer davon träumt, der Pitwalk würde in Katalonien zum gemütlichen Spaziergang. Vorletztes Jahr war die Schlange fast endlos und die Chance, überhaupt ein interessantes Foto zu machen, war zumindest für die hintersten nahe null (© SBM).

Günstiges Preis-Leistungsverhältnis in Barcelona vermag zu überzeugen

Trotzdem der ein oder andere womöglich einige Kritikpunkte an der Organisation der WorldSBK Runde in Montmeló findet, stimmt zumindest der Preis im Vergleich zu anderen Angeboten. Besonders das neu im Kalender aufgenommene Cremona (Italien) sticht mit wahren Wucherpreisen unangenehm hervor, was in Katalonien definitiv nicht der Fall ist. Insofern lohnt sich der Abstecher nach Barcelona für Fans auf jeden Fall, zudem sind die Hotelpreise im Frühling in der Region höchst moderat. Wer es nicht schafft, dem sei als Alternative Assen im April zu empfehlen. Im Gegensatz zur MotoGP fanden wir die WSBK Besuche jedes Mal als höchst entspannt, ohne das gewaltige und oft beinahe beängstigende Gedränge in der Prototypen Weltmeisterschaft. Dazu die wohl beste Verpflegung im internationalen Vergleich mit allen anderen Events, egal ob WorldSBK oder MotoGP und dies auch noch sehr preiswert. Wir gönnen uns diesmal wohl beides und hoffen zusammen mit den echten Fans auf spannende Rennen und eine hoffentlich endlich wieder einmal interessante Weltmeisterschaft, mit mehreren Titelkandidaten.

Alvaro Bautista auf dem Weg in seine Aruba.it Ducati Box beim katalanischen Test – der kleine Spanier könnte als amtierender Weltmeister womöglich diese Saison deutlich mehr Gegenwind als in den beiden Vorjahren haben, was den Titelkampf betrifft. Maschinell ist er nach wie vor stark bevorteilt und die paar lächerlichen extra Kilo, welche er nach dem neuen Reglement aufgebrummt erhielt, können ihn dabei am wenigsten bremsen. Nur ein überragender Sam Lowes hinderte ihn im letzten Rennen von Runde 1 am Sieg.
Nachdem in den Vorjahren selbst die brandgefährliche Strecke von Imola im Kalender stand, ist nicht damit zu rechnen, dass es für die mit einem Stern versehenen beiden neuen Kurse Probleme mit der Homologation geben dürfte.
Unser kombinierter Kalender von MotoGP und WSBK mit am vorletzten März-Wochenende bereits der ersten Terminkollision zwischen den beiden Serien. In Rotschrift der laut Paddock-Gerüchten erneut wieder in Frage stehende Grand Prix von Kasachstan, welcher bereits im Vorjahr nicht zur Durchführung kam.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).