Verwirrende Vorfälle beim Saisonauftakt der MotoGP in Katar
Kürzlich berichteten wir recht ausführlich über die Motorradweltmeisterschaft von 1953. Damals kam es vor der vierten Runde zum GP von Deutschland bei der gemeinsamen Streckenbesichtigung von Fahrern und Funktionären zu einem für die Zuschauer höchst bedauerlichen Entscheid. Es hatte dabei geregnet und auf dem gefährlichen Strassenkurs des Schottenrings wurde der Verzicht des 350 cm³ und 500 cm³ Grand Prix Rennens beschlossen. Dadurch hatte die erst zweite richtige Weltmeisterschaft (erst seit 1952 waren die Deutschen Piloten und Werke als erfolgreichste Nation der letzten Vorkriegsjahre zugelassen) in der Königsklasse damals nur 8 statt 9 Runden und bei den 350-ern sogar nur sieben. Trotzdem kann selbst heute noch dieser Entscheid nachvollzogen werden, weil damals Stürze sehr häufig mit dem Tod oder schwersten Verletzungen endeten. Im Jahr danach kehrte der GP Tross wieder an die Solitude nahe Stuttgart zurück. 71 Jahre später kam es beim Grand Prix von Katar jedoch zu einem Entscheid, der nicht ganz so leicht nachvollziehbar ist.
Verzicht auf die Wertung des zweiten Trainings infolge Regen
Bei den heutigen Sicherheitsvorschriften verlaufen Stürze zu etwa 80 bis 90 Prozent harmlos. Trotzdem ist es nicht falsch, dass seit einigen Jahren bei einsetzendem Regen auf ein sogenanntes Flag to Flag Rennen gewechselt wird oder Trainings unterbrochen werden, sofern es zu nass wird. Dass jedoch mit Profilreifen im Regen gefahren wird, ist im Strassenrennsport seit bestehen völlig normal. Höchst seltsam, wenn nicht gar fragwürdig ist jedoch, dass das normalerweise zum direkten Einzug für das Q2 zählende Training zwar gefahren wurde, aber nicht entsprechend gewertet wurde. Aufgrund von einsetzendem Regen entschied die Rennleitung nach Rücksprache mit einigen Piloten, es sei zu gefährlich bei im Wüstenstaat erstmals vorkommender Nässe eine Wertung für das Qualifying durchzuführen. Das nur als Testsession taugende zweite Training am Freitag wurde damit quasi bedeutungslos und die sonst übliche Spannung war weg. Recht seltsam eigentlich, dass bei Regen schon immer auch im Rennen um Punkte gefahren wurde, nun aber plötzlich ein üblicherweise für das Qualifying gewertetes Training aufgrund von Nässe zu gefährlich sein sollte. Regenspezialisten wie Marc Marquez (Gresini Ducati, bis 2023 Repsol Honda) und Johann Zarco (LCR Honda, im Vorjahr bei Pramac Ducati) bewiesen trotz Umstieg auf ihr neues Fabrikat im FP2 ihr Können und wären damit locker für das Q2 direkt qualifiziert gewesen, was tags darauf im Trockenen nur dem spanischen Ausnahmekönner gelang.
Niederlage für Bagnaia im Sprintrennen – Jorge Martin bleibt Sprint-König
Während KTM Ass Brad Binder aus Reihe zwei wie oft einen brillanten Start hinlegte, konnte lediglich Polesitter Jorge Martin (Pramac Ducati) den Südafrikaner bei der ersten Kurve hinter sich halten. Diese Reihenfolge an der Spitze sollte sich bis ins Ziel 11 Runden später auch nicht mehr ändern. Dahinter balgten sich Bagnaia, Bastianini (beide Lenovo Werks-Ducati), Aleix Espargaro (Aprilia) und Gresini Ducati Neuzugang Marc Marquez um den dritten Platz. Ein kleiner Fehler kostete den achtfachen Weltmeister aus Katalonien in der viertletzten von 11 Runden auf P4 liegend die Chance auf den Podestplatz. Somit war es Sonnyboy Aleix aus Granollers, einem Nachbarort von Montmelo mit dem Circuito de Cataluña vergönnt, Francesco „Pecco“ Bagnaia die erste schmerzhafte Niederlage der Saison zuzufügen. Der Aprilia Pilot hatte offensichtlich in den Kurven wesentlich mehr Grip als der amtierende Weltmeister und damit holte sich der sympathische Routinier hinter Martin und Binder Rang 3. Den einzigen Ausfall hatte mit Fabio Di Giannantonio (VR46 Ducati) ausgerechnet der Vorjahressieger mit einem schmerzhaften Sturz zu beklagen. Für Sprint-Spezialist Jorge Martin war es bereits der zehnte Sieg im Tissot Sprint Race.
Der spannungsarme erste MotoGP Grand Prix der Saison
Genau wie tags zuvor im Sprintrennen kam es auch am Sonntag zu einem klaren und ungefährdeten Startzielsieg. Ähnlich wie in den letzten beiden Jahren in der WorldSBK bekam der Zuschauer dabei früh den Eindruck, der amtierende Weltmeister kontrolliere das Rennen nach Belieben. Wann immer es nötig war, konnte Francesco Bagnaia dabei eine schnellere Runde hinlegen, um seine Verfolger auf Distanz zu halten. Das einzige Salz in der Suppe waren dabei die Kämpfe um das Podium, sowie die bis zum zweiten Renndrittel starke Vorstellung von Pedro Acosta (GasGas KTM). Doch wie im Sprintrennen vom Samstag wuchsen auch im Grand Prix von Katar die Bäume für das noch nicht einmal 20-jährige Jungtalent aus Murcia im Südosten Spaniens nicht in den Himmel. Damit war es an diesem Wochenende zum zweiten Mal Brad Binder, der für KTM die Kohlen aus dem Feuer holte. Gleichzeitig sorgte der Südafrikaner aber auch dafür, dass in den Top Sechs am Ende nur Ducati Piloten vertreten waren. Die japanischen Werke blieben wie befürchtet quasi zahnlos und mit den Plätzen 12 im Sprint und 11 im GP war Quartararo wie im Vorjahr letztlich zwar bester von allen, aber mit einem trotzdem frustrierenden Wochenende. Sofern sich in den kommenden Rennen nichts ändert, werden die Berichterstatter kreativ sein müssen, um von angeblich spannendem Sport zu sprechen.
Der erste Moto2 Grand Prix der Saison
Für die Rookies und zahlreiche Spitzenpiloten war es ein Wochenende zum Vergessen. Für den amtierenden Moto3 Weltmeister Jaume Masia (Pertamina Mandalika GAS UP), Xavi Artigas (KLINT Forward Factory Team) und den früh gestürzten Ayumu Sasaki (Yamaha VR46 Master Camp) war der Abstecher nach Katar eine riesige Enttäuschung. Einzig Deniz Öncü auf der Red Bull Ajo Kalex holte ein winziges Pünktchen, wobei der Türke jedoch von den Reifen-Problemen arrivierter Piloten wie Tony Arbolino (P20) und Filip Salac auf Rang 21 (beide Elf Marc VDS Racing Team) profitierte. Aus demselben Grund waren auch Polesitter Aron Canet, die beiden Niederländer van den Goorbergh und Bendsneyder, sowie Somkiat Chantra letztlich chancenlos. Ein Rennen, das in erster Linie durch mangelnde Qualität von bestimmten Reifentypen entschieden wird, ist wahrlich kein Ruhmesblatt für den Hersteller Pirelli. Zudem die italienische Firma auch Einheitsausrüster der WSBK ist, bei welcher die Australien-Runde ebenfalls von Reifenproblemen überschattet wurde. Dort musste aufgrund der mangelnden Reifen-Haltbarkeit Flag do Flag gefahren werden, also mit einem Zwangsboxenstopp zu Rennmitte. Das ist sehr schlechte Werbung für Pirelli und den Motorrad-Rennsport.
Der erste Moto3 Grand Prix der Saison
Das einzig richtig spannende Rennen der Saison sahen die Zuschauer eher wenig überraschend in der kleinsten Kategorie. Mit insgesamt 5 Crashes war es auch der sturzreichste Grand Prix von Losail, aber mit einem überzeugenden David Alonso (CFMOTO Aspar Team) als knappem Sieger, womit bei der Sieger-Ehrung die Landes-Hymne von Kolumbien zu hören war. Die letzten drei Plätze gingen an Noah Dettwiler (CIP Green Power) aus der Schweiz vor Josh Whatley (GBR, MLav Racing) und Tatchakorn Buasri (THA, Honda Team Asia). Vom jungen Mann aus den Alpen, der von Ex-Weltmeister Tom Lüthi betreut wird und dem Engländer dürften in naher Zukunft womöglich die ersten Punkte erwartet werden. Wie in der Moto2 nach dem Aufstieg von Pedro Acosta, wird es nach dem Wechsel von Jaume Masia in die mittlere Klasse definitiv auch in der Moto3 einen neuen Weltmeister geben. Viel Spannung darf jedenfalls in den meisten Rennen hier erwartet werden, nachdem in Katar die ersten 7 innerhalb von 1.15 Sekunden lagen.
Wie es weitergeht – in zwei Wochen mit dem GP von Portugal
Statt zu verhindern, dass die WorldSBK nicht am selben Wochenende wie die MotoGP stattfindet, achten Dorna und FIM lieber darauf, dass es höchstens minimale Kollisionen mit dem Formel 1 Kalender gibt. Für Motorrad-Rennsportfans seit Jahren ein Ärgernis, aber mehrere Experten und Insider erklärten uns bereits vor Jahren, dass es den Verantwortlichen für die beiden Motorrad-Weltmeisterschaften prinzipiell nur um möglichst hohen Profit gehe. Die erste Kollision erleben wir deshalb bereits beim Europa-Auftakt mit der jeweils zweiten Runde mit gleichzeitig WSBK in Katalonien und MotoGP an der Algarve Küste in Portugal. Mit gemischten Gefühlen empfehlen wir den Rennsport-Fans den Abstecher nach Barcelona, obwohl bei den serien-nahen Motorrädern mit der Ducati MotoGP Replica ein rein für die Rennstrecken konzipiertes Motorrad immer noch deutliche Vorteile gegenüber den echten Superbikes genießt. Dies könnte wie so oft dafür sorgen, dass die Konkurrenz auf der langen Geraden des Circuito de Cataluña selbst gegen die privaten Ducatis chancenlos ist. In Portugal ist zwei Wochen nach dem GP von Katar zu hoffen, dass Yamaha und Honda rasch Fortschritte erzielen, um die Weltmeisterschaft damit wieder spannender zu machen.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
Noch keine Kommentare