WorldSBK mit dem amtierenden Weltmeister an der Spitze – dieses Bild sah man am Sonntagnachmittag erstmals beim Saisonauftakt in Phillip Island. Alvaro Bautista hatte am Samstag einen Sturz zu verzeichnen und daher am zweiten Tag einiges gutzumachen. Trotzdem lief es auch im Sprintrennen und Lauf 2 nicht ganz nach Wunsch für den Spanier.

Ereignisreicher zweiter Renntag der Saison 2024 in Australien

Nachdem bereits der Samstag sehr abwechslungsreich verlaufen war, gab es am zweiten Renntag bezüglich Dramatik eine Steigerung und vor allem das letzte Rennen des Wochenendes hatte es in sich. Bereits am Freitag war entschieden worden, dass es aus Sicherheitsgründen keine Rennen über die volle Distanz ohne Unterbruch geben würde, weil die Pirelli Reifen auf dem neuen Belag nicht durchhielten. Am Samstag war es deshalb zu einem Flag to Flag Rennen mit zwingendem Stopp zum Reifenwechsel zur Halbzeit gekommen. Für das Sprintrennen am Sonntagmorgen war dies natürlich nicht notwendig und Nachmittags sollte ein Abbruch dieses Szenario verhindern. Für den Dominator des ersten Laufs sollte es zudem nicht zu einer Wiederholung seines Triumphs kommen, obwohl es für Nicolo Bulega (Aruba.it Ducati) anfänglich noch sehr gut aussah.

Streckenskizze des Kurses von Phillip Island mit in Kurve 4 (ehemals Honda Corner, seit einiger Zeit nach „Jack-Ass“ umbenannt) dem harmlosen Long Lap Penalty Bereich, bei welchem bestrafte Piloten in der Regel kaum Zeit oder gar Positionen verlieren.

Das Tissot Sprint Race mit viel Action

Für Rookie Tarran Mackenzie auf der MIE Honda endete das Rennen bereits nach der Aufwärmrunde. Der ehemalige BSB Spitzenfahrer musste mit technischen Problemen an die Box und konnte danach nicht mehr auf die Strecke zurück. In der ersten Rennhälfte bestimmte das Duell zwischen dem ehemaligen MotoGP Star Andrea Iannone (GoEleven Ducati) und Kawasaki Ass Alex Lowes das Sprintrennen. Nach einer Runde führte der italienische WSBK Rookie vor dem Engländer, Bulega, Toprak, Gardner, Bautista und Sam Lowes. Dessen Zwillingsbruder übernahm einen Umgang später die Spitze, gefolgt von Iannone, Toprak, Gardner, Bulega und Bautista. Kurz vor Rennhälfte ging wieder der Mann mit der 29 nach vorne, aber Lowes blieb dicht an ihm dran. Aber die sechste Runde brachte eine Vorentscheidung zugunsten des Kawasaki Werkspiloten.

Wie schnell die Ducati Panigale V4R dank ihrer Vorteile mit wesentlich höherer Maximaldrehzahl gegenüber der Konkurrenz ist, bewiesen wie im Vorjahr vor allem auch die Privatpiloten. Hier von links Andrea Iannone, (Team GoEleven) Danilo Petrucci (Barni Spark Racing Team) und Michael Ruben Rinaldi (Team Motocorsa Racing). Nicht nur Jonathan Rea auf der Werks-Yamaha verlor mehrfach bei Start-Ziel deutlich an Boden gegen die Ducati Privatfahrer.

Vorentscheidung im Sprintrennen – Iannone mit Problemen

Während sich von hinten der schlecht gestartete Andrea Locatelli sukzessive nach vorne arbeitete, geriet nach Kurve 1 Andrea Iannone von der Ideallinie, was ihn mehrere Positionen und die Chance auf das nächste Podium kostete. Womöglich hatte ihn zuvor Toprak beim Überholen touchiert und gerempelt, zumindest hantierte er an seinem linken Lenker herum und verlor damit dramatisch an Boden. Ab nun liess sich Alex Lowes die Butter nicht mehr vom Brot nehmen, womit er souverän die Spitze hielt und wie bei seinem Debut im Kawasaki Werksteam vor 4 Jahren an selber Stelle als erster abgewunken wurde. Dahinter stahl Locatelli ab Rennhälfte allen die Show, nachdem er zuerst den davor auf P5 liegenden Bautista überholte, danach auch Gardner kassierte und sogar an seinem Teamkollegen aus dem Vorjahr vorbeiging. Für BMW Neuzugang Toprak Razgatlioglu musste dieser Moment sehr hart gewesen sein, aber der Türke konnte sich immerhin vor Bautista noch den dritten Rang sichern. Nur auf Position 5 diesmal dessen neuer Ducati Werksteam-Kollege Bulega vor Gardner, Aegerter, Sam Lowes, Rinaldi und als zehntem Jonathan Rea. Der Nord-Ire verpasste damit wie am Vortag erneut die Punkte, aber noch schlimmer sollte es für ihn am Nachmittag kommen. Sein langjähriger Teamkollege Alex Lowes hingegen war überglücklich und sagte beim Siegerinterview, er habe in der Auslaufrunde Tränen vor Freude in den Augen gehabt.

Wie üblich gab es kein echtes Podium nach dem Sprintrennen, was der Freude der drei erstplatzierten jedoch keinen Abbruch tat. Von rechts Toprak Razgatlioglu (BMW, P3), Sieger Alex Lowes (Kawasaki) und Andrea Locatelli (Yamaha). Erstaunlich diesmal, dass keine Ducati mit dabei war, aber auch mit Iannones Pech und Bautistas knapp verpasstem Rang 3 immerhin erklärbar.

Johnny Rea sorgt mit Crash für rote Flaggen nach 3 Runden in Lauf 2

Nach einem guten Start sah es für den Yamaha Neuzugang und Rekordweltmeister lange Zeit recht gut aus. Jonathan Rea lag anfänglich auf P10, nach Runde 1 war er bereits Neunter und einen Umgang später bereits auf Position vier. Topraks Motor seiner BMW M-1000RR hingegen ging bereits in Runde zwei in Rauch auf und der Türke musste ins Gras, um nicht die Strecke mit womöglich dadurch austretendem Öl zu verunreinigen. Dann kam es in Kurve 11 zum Crash von Rea und kurz danach hämmerte ein extrem enttäuschter Remy Gardner auf den Tank seiner Yamaha, die ihren Geist aufgegeben hatte. Da der Sturz von Rea für rote Flaggen sorgte, konnte der Australier später aber zum Glück nochmals starten, während der Nord-Ire im Medical Centre behandelt werden musste. Mehrere Prellungen und Schürfwunden hielten den 6-fachen Weltmeister jedoch nicht davon ab, danach umgehend zu seiner Box zurückzukehren, um seiner Crew seine Sicht der Sturzursache zu schildern. Laut seiner Aussage gehe es ihm soweit gut, wobei eine Hüftprellung die unangenehmste Sturzfolge sei. Die Frustration über den Sturz sei vor allem sehr groß, auch weil dieser für ihn sehr überraschend gekommen sei.

Jonathan Rea (Pata Prometeon Yamaha) erlebte eines der schwierigsten Wochenenden seiner schon so langen Karriere in Phillip Island. Aber dies hatte sich bereits bei den Vortests abgezeichnet und aktuell muss der Rekordweltmeister versuchen, das Vertrauen in sein neues Arbeitsgerät zu finden. Zum Glück für ihn und sein Team gibt es vor der Europa-Saison in Barcelona nochmals einen Test vor dem Rennwochenende.

Der Gesamtsieger von 2020 wiederholt sein Meisterstück 4 Jahre später

Nach dem Restart sah alles bis kurz vor dem Ziel nach dem eigentlich bereits im Vorfeld erwarteten klaren Sieg für Alvaro Bautista aus. Tags zuvor war er gestürzt, aber sein Ducati Werksteam-Kollege Bulega holte sich samstags an seiner Stelle einen ab Rennmitte ungefährdeten Triumph. Dieser war am Sonntagmorgen mit P5 hinter dem Spanier ebenfalls recht erfolgreich gewesen, aber eine Steigerung sollte ihm auch am Nachmittag verweigert bleiben. Trotzdem wurde der zweite Lauf bezüglich der ersten 6 bis 7 Plätze um ein Haar zu einer reinen Ducati-Angelegenheit. Aber ein Mann, auf den Kawasaki seit 2020 setzte, hatte etwas dagegen und er zeigte eine der stärksten Leistungen seiner ganzen bisherigen Karriere. Nach dem Weggang von Rea als Teamleader nun vom ehemaligen WSBK Piloten Pere Riba als Crew Chief betreut, wuchs Alex Lowes an diesem Wochenende förmlich über sich hinaus. Während Andrea Locatelli diesmal zu viel riskierte und beim Versuch, am Kawasaki Piloten vorbeizugehen, einen heftigen Crash hinlegte, machte Alex alles richtig. Erst kurz vor Schluss begann er den mit nachlassenden Reifen kämpfenden Bautista zu attackieren und überholte den kleinen Spanier aussen herum über die Kuppe, um sich danach die so erkämpfte Führung nicht mehr nehmen zu lassen. Nach Rang 4 in Lauf eins der zweite Sieg am Sonntag und als Gesamtsieger mit 50 Punkten gleichzeitig WM-Leader, dies die Belohnung für Alex Lowes, bevor es am zweitletzten März-Wochenende in Katalonien mit der Europa-Saison losgeht.

Alex Lowes (Kawasaki) mit der Nummer 22 im Ducati Sandwich, hinter Bautista (1), Rinaldi (verdeckt, 21) und vor Iannone mit der 29. Zusammen mit seinem Team hatte der Engländer von Beginn an sehr viel auf die Haltbarkeit der Reifen geachtet, was die Abstimmung seiner ZX-10RR betraf. Dies zahlte sich bereits am Samstag und erst recht tags darauf im Sprintrennen und in Lauf 2 aus.

Die Gewinner und Verlierer des Wochenendes

Mit 27 Punkten reist Bautista trotz Sturz im ersten Lauf als WM-Fünfter nach Spanien zurück, womit man ihn nicht, wie beispielsweise Rea oder den verletzten Lecuona, zu den Verlierern zählen darf. Aber zum Beispiel ein Scott Redding mit nur 5 Punkten auf der BMW, nachdem er 2020 mit der Ducati noch alle drei Läufe auf dem Podium beendet hatte, müsste die erste Runde in Australien als Desaster sehen. Genauso Philipp Oettl, dem im Vorjahr auf der Ducati noch 20 Punkte gelangen, womit er achtbester wurde. Bei ihm muss man jedoch bedenken, dass auf der privaten GMT94 Yamaha die Aufgabe gegenüber 2023 auf der GoEleven Ducati wesentlich schwieriger war. Bei Remy Gardner war viel Pech im Spiel, dass er mit nur 8 Punkten aus seiner Heimat nach Europa weiterreisen muss. Insbesondere Axel Bassani, der ihn im ersten Lauf von der Strecke rempelte, trägt viel Schuld an seiner Misere, dazu natürlich das Pech mit seinem Bike, das kurz vor roter Flagge im letzten Rennen den Geist aufgab. Davor lag der Australier in aussichtsreicher Position. Zu den Gewinnern sind nebst den jeweils in den Top Fünf gelandeten Fahrern vor allem Rookie Sam Lowes (ELF Marc VDS Racing Team Ducati), Domi Aegerter (Yamaha), US-Boy Garret Gerloff (BMW) und sein Markenkollege Michael van der Mark zu zählen.

Dass hinter dem überragenden Sieger Alex Lowes (Kawasaki) im zweiten Lauf sechs Ducatis platziert waren, sollte zu denken geben, vor allem weil vier davon privat sind. Selbst Sieger Lowes wurde auf der längsten Geraden mehrmals von Privatfahrern wie Andrea Iannone überholt, obwohl er auf einer Werksmaschine sass. Für Kurse wie Barcelona und Portimão droht damit dasselbe Problem wie in den Vorjahren für die Konkurrenten auf den anderen Fabrikaten.
Die Verfolgergruppe im zweiten Rennen am Sonntag, mit Bulega (Ducati), van der Mark (verdeckt), Gerloff (beide BMW), Aegerter (Yamaha), Bassani (Kawasaki), Lecuona (Honda) und Oettl (Yamaha). Dahinter Redding (BMW), Ray (Yamaha), Rabat (Kawasaki), sowie die beiden MIE Honda Piloten Mackenzie und Norrodin.

Stand in der Weltmeisterschaft nach Runde 1 von 12

Ohne die überragenden Leistungen von Alex Lowes (Kawasaki), Andrea Locatelli und Domi Aegerter (beide Yamaha) wäre die Situation in der Weltmeisterschaft bezüglich Markenvielfalt an der Spitze sehr dünn. Auch Toprak, „Magic Michael“ und der Texaner Gerloff (alle BMW) verhinderten mit starken Leistungen, dass es zu einseitig für Ducati ausging, obwohl diese in Australien wie befürchtet stark bevorteilt waren.
Erstes Podium der Saison für Bautista (Ducati, links) und zweiter Triumph an diesem Wochenende für Gesamtsieger Alex Lowes (Kawasaki), dazu auch der erste Podestplatz für Ducati Privatpilot Danilo „Petrux“ Petrucci. Für Yamaha Neuzugang Jonathan Rea hingegen wurde der Saisonauftakt zum Desaster, nach zwei Rennen ausserhalb der Punkteränge und einem Crash im letzten Lauf.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).