Weshalb ein Rookie die WorldSBK Stars in den Schatten stellte
Für neutrale Fans der Superbike Weltmeisterschaft zeigten die Januar-Tests in Jerez und Portimão ein wahrhaft bedrohliches Bild. Im Prinzip galt dies, mit Ausnahme der Ducatisti, auch für sämtliche restlichen Teams mit ihren Piloten und deren Anhänger. Wer gehofft hatte, die Einführung des Minimalgewichts für Fahrer und Maschine sorge für mehr Ausgeglichenheit, wurde jedoch bereits in Andalusien und an der Algarve eines Besseren belehrt. Obwohl sich FIM und Dorna kraft ihrer Führungspersonen lange gegen die Einführung dieser im Zweiradrennsport völlig üblichen Regel gesträubt hatten, mussten sie sich den Herstellern der Ducati-Konkurrenz letztlich infolge derer Rücktrittsdrohungen aus der WSBK beugen. Es handelt sich beim Minimalgewicht letztlich auch um eine Regel, die in der WorldSSP und MotoGP schon seit langer Zeit Usus war. Trotzdem fanden sie Mittel und Wege, um das Handicap von Alvaro Bautista als amtierenden Weltmeister etwas erträglicher zu gestalten. Damit hat der Spanier und sein Teamkollege Niccolo Bulega so etwas wie ein Freifahrt-Ticket erhalten, um die WorldSBK nach Belieben zu dominieren. Während Bautista sich wie oft deutlich zurückhielt und für seine bescheidenen Testzeiten eine noch nicht auskurierte Verletzung als Erklärung angab, schüttelte sein italienischer Stallkollege die Bestzeiten nur so aus dem Ärmel. Kürzlich lieferte die FIM nun auch die Begründung für diese Dominanz des Werksteams aus Panigale (einem Stadtteil bei Bologna).
Droht damit die Fortsetzung einer völlig einseitigen Weltmeisterschaft?
Wir haben es uns zum Glück einfach gemacht, was unsere Saisonplanung betrifft. Sämtliche Buchungen sind jederzeit kostenfrei stornierbar und davon machten wir beim Saisonauftakt in Phillip Island bereits ein erstes Mal Gebrauch. Weil wir aktuell zu wenig Argumente sehen, die bezüglich der Titelentscheidung gegen eine Langeweile wie in den vorherigen beiden Jahre spricht, verzichteten wir schweren Herzens auf die nach 2020 erneute Anreise von Europa ins ferne Australien. Die Bilder vom Vorjahr haben wir schlicht noch viel zu gut in Erinnerung, als die beiden Aruba.it Ducati Werksteam-Kollegen Alvaro Bautista und Michael Ruben Rinaldi der restlichen Konkurrenz auf und davonfuhren. Aktuell können die neutralen Fans deshalb nur darauf hoffen, dass Toprak mit der BMW um die Spitze mitkämpfen kann und auch Jonathan Rea auf der Yamaha, im Gegensatz zu seinen Kawasaki Jahren 2021 bis 2023, wieder ganz vorne mitfahren kann. Andernfalls droht die Fortsetzung der beiden langweiligsten und einseitigsten WSBK-Jahre und wie im Vorjahr stellt sich die Frage nach dem Sieger selten bis nie.
Erinnerungen an die Vergangenheit kamen 2022 und 2023 mehrmals auf
Derart einseitige Rennen erinnern uns zu fest an die frühen Zeiten des Zweiradrennsports. Siehe dazu auch unsere Serie über die ersten Jahre der Motorrad-Weltmeisterschaft, welche in wenigen Wochen weiter fortgesetzt wird. Wir stecken dort gerade in den Arbeiten für das grauenvolle Jahr 1958, als nach dem werksseitigen Rückzug fast sämtlicher Konkurrenz MV Agusta in sämtlichen 4 Solo-Klassen nach Belieben dominierte. Wenn die Sieger bereits vor dem Start so gut wie feststehen, fehlt für die Zuschauer sämtliche Spannung und Dorna wie FIM sollten sich nicht wundern, wenn dadurch die Besucherzahlen samt der Popularität weiter Schaden nimmt. Die Preise der italienischen MotoGP Veranstalter gingen, wie (nicht nur von uns) vorhergesagt, nach dem Rücktritt der Ikone Valentino Rossi drastisch zurück. Neu besteht dort sogar ebenfalls die Gefahr, dass die rote Dominanz für einen drastischen Rückgang des Publikums-Interesses sorgen könnte.
Reicht das wenige Salz in der Suppe?
Natürlich gibt es im Schatten der für die WorldSBK zu befürchtenden Überlegenheit vor allem der beiden Werks-Ducatis noch einige Würze, was das Geschehen auf den Rennstrecken betrifft. Aber selbst, falls BMW dank Toprak und intensiver Weiterentwicklung nun den Anschluss zu Kawasaki und Yamaha wirklich schaffen sollte, besteht die Gefahr gähnender Langeweile beim Kampf um den Sieg. Dem Türken mit seiner höchst riskanten Fahrweise war es bei einigen Rennen im Vorjahr zwar gelungen, Bautista das Letzte abzuverlangen. Im Prinzip hatte Razgatlioglu auf der Yamaha R1 den Spanier in den Kurven oft förmlich deklassiert. Aber am Ende verlor er Rennen wie das in Portimão restlos frustriert, mangels ausreichendem Topspeed und eklatanten Nachteilen in der Beschleunigung gegenüber der Ducati.
Das Fragezeichen hinter dem besten Fahrer aller Zeiten
Ähnliches Ungemach wie Toprak droht auch seinem Nachfolger bei Pata Yamaha. Über die Fahrkünste des 6-fachen Rekordweltmeister Jonathan Rea braucht man nicht zu diskutieren. Dem Nord-Iren fehlt es auch immer noch nicht an Motivation, um Siege und Podien mitzukämpfen. Aber mit gegenüber der Ducati nicht weniger als 900 U/Min weniger Maximal-Drehzahl muss er wie davor auf der Kawasaki mit weniger Leistung und schlechterer Beschleunigung leben. Deshalb ist zu befürchten, das wenige Salz in der Suppe durch seinen und Topraks Boxen-Tausch könnte für ausreichend Spannung in der WSBK nicht reichen. Aber womöglich besteht dank einiger Neuzugänge trotzdem noch Hoffnung, dass genug Abwechslung in die Geschichte kommt. In wenigen Tagen werden wir sehen, wie die wahren Kräfteverhältnisse aussehen, weil Tests selten aussagekräftig genug sind. Man sollte die Resultate von Phillip Island aber nicht überbewerten und abwarten, bis die Europa-Saison beginnt, um keine voreiligen Schlüsse zu ziehen. Wir werden in Barcelona am zweitletzten März Wochenende vor Ort dabei sein und natürlich darüber berichten.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).
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