Fortsetzung der Saison mit neu erfundenem Ulster Grand Prix
Statt auf dem gefährlichen und selektiven Clady-Circuit wurde neu auf dem Dundrod-Circuit gefahren. Zudem waren zum ersten Mal nach der Tourist Trophy und der Dutch TT wieder alle Klassen mit am Start. Die Veranstalter hatten sich die Neuauflage des Ulster GP einiges kosten lassen, war doch allein für die Vorbereitung umgerechnet damals rund 600-tausend Deutsche Mark investiert worden, wie beeindruckte Journalisten aus dem Gastland danach berichteten. Ein sehr rauer und damit griffiger Asphalt sollte für hohe Kurvengeschwindigkeiten auf der zwölf Kilometer langen Strecke mit einem Höhenunterschied von 160 Metern sorgen. Aufgrund der hohen Reisekosten nach Belfast waren die Engländer mit Ausnahme der Weltmeisterschaft beim Ulster Grand Prix deshalb oft unter sich. Die Bezeichnung „Grand Prix“ täuschte übrigens damals oft, weil wie 1952 in Albi (Frankreich) die Veranstalter ihr Event so nennen durften, auch wenn es nicht zur WM zählte. Jedenfalls wurden die deutschen Teams damals sehr herzlich begrüsst und die Gastgeber und Fans freuten sich (nach deren Abwesenheit im Vorjahr aus zuvor genannten Gründen) aufrichtig, diese zum ersten Mal vor Ort im Einsatz zu sehen. Aber für Werner Haas begann es im Training jedoch haarsträubend, war der Schwabe doch in einer Kurve gestürzt, durch eine Hecke abgeflogen und hatte sich dabei den Mittelfussknochen gebrochen. Doch trotz dem damals üblichen Schiebestart mit davor abgestelltem Motor sollte ihn dies nicht an Glanztaten am Renntag hindern.
Das Auftaktrennen bis 125 cm³
Natürlich freuten sich die deutschen Piloten wie Haas und Daiker darüber, endlich auf einer englischen Strecke antreten zu können, auf welcher sie gegenüber der Konkurrenz nicht mangels Streckenkenntnis von vornherein stark benachteiligt waren. NSU hatte einen gewaltigen Aufwand getrieben und mit einer KLM-Sondermaschine sechs Rennmotorräder nach Belfast eingeflogen. Es sollte sich aber auch lohnen. Zuerst kamen ihre Fahrer in der kleinsten Kategorie zum Einsatz, wobei es nach der ersten Runde noch wenig begeisternd für die NSU-Werksfahrer aussah. Der Italiener Copeta hatte den besten Start gehabt und sich bei der ersten Zieldurchfahrt einen gehörigen Respektabstand verschafft. Seine MV Agusta war deutlich leichter und wendiger als die NSU. Es sah zunächst danach aus, als hätten er und die Werksteam-Kollegen Ubbiali und Sandford damit einen klaren Vorteil, trotz nur 5 anstelle von 6 Gängen der NSU. Angelo Copeta überdrehte jedoch seinen Motor mehrfach deutlich hörbar und prompt gab dieser den Geist in der dritten Runde auf. Nun lag Haas nach einer Rekordrunde klar an der Spitze und dahinter sah es lange danach aus, als würde Sandford vor NSU-Neuzugang Armstrong Platz 2 holen. Der Ire holte jedoch deutlich auf und ging bei Lindsay Hairpin am Engländer und seiner MV vorbei, verschaltete sich jedoch in der Zielkurve Dawson’s Bend wenig später und Sandford schaffte es damit doch noch auf den zweiten Rang. Somit gewann am Ende ein tapferer Schwabe trotz Fussbruch und ein weiterer wurde mit Otto Daiker hinter Armstrong hervorragender vierter.
Das Rennen der 250-er mit einer Premiere
In der Kategorie bis 250 cm³ hatte es für NSU wie bei den 125-ern im Training nicht wirklich rosig ausgesehen, aber wie so oft sind Test und Rennen zwei völlig verschiedene Stiefel. Haas und Armstrong übernahmen sofort nach dem Start die Führung und setzten sich deutlich von ihren Gegnern ab. Moto-Guzzi Werksfahrer Anderson versuchte dahinter verzweifelt den Anschluss zu schaffen, aber mittlerweile war die NSU Rennmax eindeutig schneller als die Konkurrenz und übertraf im Topspeed sogar die 350-er Werks-AJS. Auch dank verbesserter Bremsen hatten die Deutschen ihre anfänglichen Nachteile gegenüber den besten Gegnern bereits wettgemacht. Haas fiel aufgrund eines bei der Beschleunigung etwas unrund wirkenden Motors leicht zurück, aber kurz vor Schluss hat er immer noch etwa 2 Minuten Vorsprung auf die schnellste Guzzi mit Anderson. Trotz Verletzung reicht es am Ende für P2 hinter dem Lokalmatador und neuen Teamkollegen, während der andere NSU-Werksfahrer Daiker sich mit P5 hinter Lorenzetti auf der zweitbesten Werks-Guzzi und vor Arthur Wheeler (Moto-Guzzi) erneut hervorragend schlägt. Reg Armstrong würdigt seinen neuen Vertrag mit NSU somit mehr als eindrücklich, nachdem er zuerst in der 125er-Klasse aufs Podest fuhr und danach seinen ersten Grand Prix bis 250 cm³ für NSU und zudem seiner Karriere gewann. Den Vorsprung im Zwischenklassement hatte Haas gegenüber Anderson weiter ausgebaut und er führte nun mit 28 Punkten vor dem Engländer mit deren 18, dahinter bereits Armstrong mit 12 und dem amtierenden Weltmeister Lorenzetti mit nur 6.
Dramatisches 350-er Rennen mit zahlreichen Ausfällen
Bei den 350-ern gab es eine dramatische Entscheidung um den Sieg. Die Moto-Guzzi Werksmaschinen wurden diesmal nicht von den Spitzenpiloten der Italiener (Anderson und Lorenzetti) gefahren, sondern zum Einsatz kamen Montanari und Francisi. Ken Kavanagh hatte auf seiner Norton nach dem Start die Führung übernommen und konnte sich anfänglich vom Rest des Feldes deutlich absetzen. Die Guzzis der beiden Italiener wurden auf der Geraden mit fast 200 km/h gemessen, aber beide fielen wenig später aus. Norton Pilot Jack Brett kam eine Runde nach seinem Tankstopp nicht mehr bei Start-Ziel vorbei und der australische Spitzenreiter Kavanagh bekam Probleme mit seiner Vordergabel und musste genauso wie Farrant auf der Werks-AJS (dieser mit Motorschaden) aufgeben. Dem Neuseeländer Coleman hatte ein Stein die Brille zerstört, aber er holte danach trotzdem auf und schaffte es am Ende sogar mit P3 auf das Podium. Mit seinem kleingewachsenen Landsmann Ken Mudford gewann letztlich ein Aussenseiter als Ersatzfahrer auf einer Werks-Norton vor dem jungen Privatpiloten Bob McIntyre (AJS).
Überraschungserfolg in der Königsklasse
Norton Ass Kavanagh wurde für sein Pech in der 350 cm³ Klasse letztlich mit dem Sieg bei den 500-ern entschädigt. Allerdings profitierte der Aussie dabei von einem unfreiwilligen Stopp zum Wechsel einer defekten Zündkerze des klaren Favoriten Geoff Duke (Werks-Gilera). Der Engländer hatte klar geführt, bis er durch ein in dieser Zeit fast alltägliches Problem, mit dem Sieg vor Augen, am Ende doch nur zweiter wurde. Nach zwei Ausfällen (an der Tourist Trophy und in Spa-Francorchamps) und den Siegen in Assen und Rouen waren seine sechs Punkte trotzdem sehr wichtig für die Meisterschaft. Weil Teamkollege Reg Armstrong nur vierter wurde, schmolz, mit nun 23 Punkten gegenüber neu 22 für Duke, sein Vorsprung als Leader im Zwischenklassement um 3 Zähler. Kavanagh lag nach seinem Sieg auf P3 mit 18 Punkten vor Ray Amm (14), Jack Brett (13) und Alfredo Milani (12). Mit noch drei zu fahrenden Rennen war die Situation in der Königsklasse damit noch völlig offen, bevor es nur eine Woche später weiter in die Schweiz nach Bremgarten bei Bern ging.
Grosser Preis der Schweiz 1953 – 250 cm³
Diesmal hatten die 125-er Pause und somit kam der Klasse bis 250 cm³ auf dem anforderungsreichen und durchaus gefährlichen Kurs nahe der Schweizer Bundeshauptstadt Bern die Rolle der kleinsten Kategorie zu. Wie bereits in seinem Heimrennen beim Ulster GP vor einer Woche, war auch diesmal wieder Reginald Armstrong der Mann der Stunde. Der Ire fuhr von Beginn an dem Rest des Feldes auf und davon, wobei er gleichzeitig einen neuen Rundenreckord, als er mit einem sagenhaften Schnitt von 144.876 km/h die Strecke umrundete. Er gewann am Ende überlegen vor Montanari, während dahinter Andrson und sein Guzzi-Werkskollege Lorenzetti wie in Ulster auf P3 und P4 die Zielflagge sahen. Die DWK Werksfahrer Hobl und Wünsche fielen mit technischen Problemen aus. Für einmal deutlich distanziert die deutschen Werks-NSU-Piloten Daiker und der beim Kampf um P2 gestürzte Haas (der Deutsche konnte das Rennen danach weit abgeschlagen wieder aufnehmen) auf den letzten Punkterängen. Sieger Armstrong holte damit ganze sieben Punkte Rückstand auf NSU-Teamkollege Haas auf, womit dieser im nächsten Rennen von Monza reagieren musste, um nicht die Führung im Zwischenklassement zu verlieren. Nach dem GP der Schweiz war NSU die Markenwertung hingegen bereits sicher.
Das 350-er Rennen von Bern 1953
Anderson war nebst seiner Rennerei auch als Journalist tätig und der Engländer bewies in Bern für Moto-Guzzi, dass die Italiener ihre Hausaufgaben gemacht hatten. Die Werksfahrer von Norton und AJS waren erneut chancenlos und am Ende hatte Norton Ass Kavanagh knapp vor Colemann (AJS) zwar die Nase vorn, aber mit einem Rückstand auf Anderson von über einer halben Minute. Ihre Rückkehr nach ihrer Pause in der Weltmeisterschaft für mehrere Runden wurde für DKW zum Desaster. Von den Werksfahrern sah keiner die Zielflagge und mit Karl Hofmann als sechstem mit noch einem WM-Punkt rettete für sie ein Privatpilot die Ehre. Der Frankfurter war bereits in den Jahren 1950 und 51 (damals noch auf Puch) bester Privatfahrer Deutschland. Offensichtlich waren die Dreizylinder-Zweitakter für den Kurs in Bern schlicht zu wenig standfest, um die 21 Runden mit einer Distanz von über 150 Kilometern zu überstehen. Hinter den Podestplatzen und vor Hofmann trafen übrigens noch Jack Brett auf der zweitbesten Norton und der junge Derek Farrant (AJS) im Ziel ein. Altmeister H. P. Müller verpasste auf seiner privaten Schnell-Horex die Punkteränge und wurde siebter.
Das Meisterstück des bereits dreifachen Weltmeisters
Geoffrey Ernest „Geoff“ Duke war ein Meister seines Fachs. Der in Douglas auf der Isle of Man geborene, seit 29. März 1953 dreissigjährige war auf dem Höhepunkt seiner Karriere. In den vergangenen 2 Jahren hatte er auf Norton den Titel in der 350-er Klasse geholt und dazu 1951 für dieselbe Marke auch den in der Königklasse bis 500 cm³. Weil die mittlerweile veraltete 500-er Einzylinder Norton bereits im Vorjahr auf den meisten Kursen nicht mehr gegen die schnellen Vierzylinder von Gilera und MV Agusta bestehen konnte, hatte er ein Angebot von Gilera für 1953 angenommen. Dies, trotzdem er damit seinen Titel in der Kategorie bis 350 cm³ nicht mehr würde verteidigen können, da sich die Italiener ausschliesslich auf die 350-er Klasse konzentrierten und ein Einsatz in dieser Kategorie auf einer privaten Norton oder AJS selbstverständlich nicht infrage kam. Für ihn wurde nach durchzogenem Saisonbeginn der Grand Prix der Schweiz zu so etwas wie einer Erlösung. Während die 2 Norton Werksfahrer einen schwarzen Tag erlebten und die Zielflagge nicht sehen sollten, zog der beste Pilot seiner Zeit seinen Konkurrenten davon und nur Teamkollege Milani war mit 13 Sekunden Rückstand noch innerhalb einer Minute hinter Geof, als die karierte Flagge fiel. Armstrong und Colnago komplettierten die top vier, was für Gilera das erste Mal in ihrer Geschichte passierte. Coleman und Farrant komplettierten die Punkteränge vor Dale (Gilera), Zeller (BMW), Pagani (Gilera) und den beiden weiteren BMW-Deutschen Baltisberger und Meier.
Vor den letzten 2 Runden der Weltmeisterschaft in Südeuropa
Für NSU war von Monza und Barcelona die Frage offen, ob ihr Aushängeschild Haas trotz mit Armstrong starker neuer Konkurrenz aus dem eigenen Haus, einen oder gar beide Titel der beiden kleineren Klassen holen würde. Die Hersteller-Weltmeisterschaft war ihnen wie Gilera in der Königsklasse bereits nicht mehr zu nehmen. Bei den Italienern war es im Gegensatz zu NSU, die sich bei den 125-ern gegen MV und bei den 250-ern gegen Guzzi wehren mussten, eine rein interne Angelegenheit, was den Fahrertitel betraf. Wahrscheinlich hätten die Italiener lieber einen Landsmann als Weltmeister gesehen, aber Milani hatte erst 18 Punkte vor den letzten zwei Runden, gegenüber 30 von Duke und deren 27 von Armstrong. Superstar Geoff Duke hatte dem Iren gegenüber den Vorteil, dass dieser bei jedem Rennen gepunktet hatte, weshalb ihm Streichresultate bevorstanden. Eigentlich ein schlechter Witz, Beständigkeit damit zu bestrafen, aber so waren die fragwürdigen Reglemente der FIM, der schon damals vollkommen zu Recht umstrittenen obersten Motorsportbehörde. Übrigens stand einzig bei den 350-ern mit nur noch einer bevorstehenden Runde in Monza Fergus Anderson (Moto-Guzzi) schon als Weltmeister fest. Selbst bei einem Sieg des zweitplatzierten Lorenzetti im Heimrennen von Monza, hätte der Italiener die bereits 28 Punkte des Engländers nicht mehr einholen können.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
Geoff Duke hat zwar lange Jahre auf der Isle of Man gewohnt, aber er wurde nicht dort geboren!
Selbstverständlich korrekt, dies war ein sogenannter copy/paste Fehler nach Abschrift des Berichts von einem damaligen Zeitzeugen, welcher jedoch damit falsch lag. Danke für den Hinweis!