Die NSU Rennfox 125 mit welcher Werner Haas 1953 Deutscher Meister und erster Weltmeister für das erst ab 1952 teilnahmeberechtigte Deutschland wurde. Zwei Jahre später fuhren nur noch Privatfahrer NSU, dies jedoch mit teils sehr grossem Erfolg, während sich das Werk zum Saisonende 1954 nach dem Unfalltod von Werkspilot Rupert Hollaus überraschend zurückgezogen hatte.

Das zweite Saisonviertel mit der Tourist Trophy

Nach dem Grand Prix von Frankreich auf einer der von ihrem Layout her zusammen mit dem A1-Ring von Österreich (später Red Bull Ring) langweiligsten Strecken im Kalender, ging es auf der Isle of Man diesmal richtig zur Sache. Bei den grösseren zwei Klassen bis 350 und 500 cm³ (genannt Junior und Senior) wurde auf dem Snaefell Circuit gefahren, während die kleineren beiden Kategorien (Lightweight bis 250 cm³ und Ultra-Leightweight für die 125-er) auf dem wesentlich kürzeren Clypse Course zur Austragung kamen. Die Spezialität dabei war, dass einige Stellen wie die berühmte Governors Bridge in beiden Fällen befahren wurden. Der kürzere Kurs kam erst ab 1954 in der Weltmeisterschaft zum Zug und dies damals nur für die kleinste Kategorie und die Seitenwagen. Neu kamen nun auch die 250-er in den Genuss der verkürzten Strecke. Benannt ist die kürzere Strecke übrigens nach einem Wasser-Reservoir oder eher einem kleinen Stausee namens Clypse. Viel mehr als das Thema Streckenwahl sollte die britischen Gastgeber jedoch am Ende die Tatsache beschäftigen, dass zum ersten Mal in der Geschichte kein einziger englischer Hersteller siegreich bleiben sollte. Bestimmt ist zudem auch wichtig zu erwähnen, dass insgesamt 77 Stürze allein bei den Trainings zu beklagen waren.

Streckenskizze des TT Clypse Course (links) und dem Snaefell Mountain Circuit, mit über 60 Kilometern Länge. Es grenzte fast an ein Wunder, dass es dieamal keine Todesopfer zu beklagen gab, während auf der andern Seite beim Rennen Milano-Taranto in Italien ganze drei tödlichen Unfälle zu berichten gab. Mit Giuseppe Lattanzi war darunter ein Pilot, welcher beim Grand Prix von Spanien noch Rang 4 in der 125-er Klasse auf MV geholt hatte und in derselben Kategorie noch an der TT auf dem Podest stand.

Viele Neuerungen und die Geburt eines neuen Superstars
Die Traditionalisten hatten wie üblich Mühe damit und auf der andern Seite war eine Streckenlänge von zwei oder noch mehr Runden durchaus ausreichend für die kleineren Kategorien. Umgekehrt waren 7 Runden auf dem Snaefell Circuit mit 424.952 Kilometern Länge im Prinzip völliger Unfug für Sprintrennen oder gar eine Weltmeisterschaft. Dies schien 1955 die meisten Verantwortlichen jedoch nicht zu stören und der FIM wurde sowieso damals bereits seit längerem sämtliche Kompetenz in fachlichen und für sportlichen Themen öffentlich abgestritten worden. Aber zurück zum sportlichen Geschehen. Wobei am Wochenende der Tourist Trophy ein Ereignis die Sportwelt erschütterte, was an Dramatik kaum mehr zu überbieten war. Um es auf den Punkt zu bringen, war ein ausser Kontrolle geratener Rennwagen bei den 24 Stunden von Le Mans zum tödlichen Geschoss geworden, welches 83 Personen das Leben kostete. Auf der Isle of Man sollte fast gleichzeitig ein Mann an der TT am Ende etwas leisten, das damals bereits unvorstellbar und auch heute noch unglaublich tönt. Dies vor allem im dritten Jahrtausend, in welchem Starts in mehreren Kategorien bereits der Geschichte angehören. Aber lassen wir die folgenden Abschnitte erzählen, was William A., genannt Bill Lomas in dieser Saison schaffte.

Streckenskizze des Clypse Course der Tourist Trophy. Diese mit einer Länge von lediglich 17.57 Kilometern gegenüber dem Mountain oder Snaefell Course wesentlich kürzere Strecke kam nur von 1954 bis 1959 zum Einsatz und dies auch nur bei den Seitenwagen und kleineren Klassen.

Die Ultra-Lightweight Klasse bis 125 cm³

Der zuvor erwähnte Rennfahrer war schon ab 1950 kein Unbekannter in der Szene, war er doch in dieser Saison auf Velocette bereits in dieser Saison in der Weltmeisterschaft bis 350 cm³ am Ende siebter in der Endabrechnung geworden. Mit Ausnahme von 1954 hatte er seither in jedem Jahr Weltmeisterschafts-Punkte geholt und nun schlug auf der Isle of Man seine Stunde. Dass er in der Ultra-Lightweight Klasse bis 125 cm³ mit MV Agusta auf einer italienischen Marke gewann, war für das britische Publikum soweit unproblematisch. Seit diese Kategorie 1951 eingeführt wurde, gewannen nur Piloten mit Motorrädern aus dem Land mit der Form eines Stiefels. Ohne die in den Vorjahren dominierenden NSU Piloten kam es hier deshalb zu einem Duell zwischen MV und FB-Mondial. Carlo Ubbiali gewann wie in Reims vor Luigi Taveri (beide MV Agusta) und Giuseppe Lattanzi auf der schnellsten Mondial. Dahinter als bester Engländer Bill Lomas vor Webster und Porter (alle MV), sowie zwei weiteren Landsleuten. Ubbiali lag nun punkttgleich mit dem Schweizer (mit je 20 Punkte) im Zwischenklassement in Führung, dahinter Lattanzi als einer der die Saison nicht überlebenden Piloten mit 11 Zählern. Als vierter hatte Lomas zwar das Podium verpasst, aber der Engländer hatte damit nur eines von vier Rennen hinter sich. Ubbiali hingegen freute sich sehr über seinen ersten TT-Triumph nach zahlreichen missglückten Anläufen.

Zweikampf zwischen Bill Lomas und Umberto Masetti bei Governors Bridge – der Italiener konnte sich am Ende nicht in den Punkten klassieren, wärend der Engländer das Podest nur um eine Platzierung verpasste. Während Masetti in Runde 4 mit einem Motorschaden aufgeben musste, hielt die baugleiche MV Agusta von Lomas bis ins Ziel durch.
Giuseppe Lattanzi (MV Agusta) konnte sich über seinen dritten Rang in der Ultra-Lightweight Klasse der TT nur wenige Tage freuen können. Als einer von drei Fahrern sollte er am auf öffentlichen Straßen gefahrenen Rennen von Mailand nach Taranto bei einem Unfall am 19. Juni 1955 sein Leben verlieren. Die anderen beiden waren selbentags Ermanno Camilletti und am 18. Juni bereits Angelo Montevecchi. Für das Image des Rennsports in Italien wirkten sich derartige Tragödien sehr negativ aus, dazu kam noch der Unfall beim weltberühmten Autorennen in Le Mans, mit über 80 von Trümmern getroffenenTodesopfern.

Das zweite Rennen der Saison für die 250-er Klasse

Nebst der kleinsten Klasse fand auch das Rennen bis 250 cm³ und das der Gespanne auf dem kleineren Clypse Course statt, was damals von vielen Beobachtern als schade bezeichnet wurde. Es standen lediglich 16 Piloten in der Lightweight-Klasse am Start. Erstmals nahm dabei auch MV Agusta als einziges Werks-Team mit einer auf 175 cm³ aufgebohrten Einzylinder-Maschine teil. Routinier H.P. Müller auf der NSU Sportmax hatte auch aus diesem Grund nur wenig Chancen auf eine vordere Platzierung. Aber Rennen schreiben wie so oft ihre eigenen Geschichten. Wie die vielen Piloten auf den englischen Fabrikaten und diversen Moto-Guzzis war Müller wieder im Status eines Privatfahrers. Im Gegensatz zu den zwei Iren Spence und Wright auf der zumindest äusserlich gleichen NSU blieb der Deutsche sitzen und kam ohne Sturz, wenn auch mit grossem Rückstand auf Sieger Lomas (mit der neuen MV) und den zweitplatzierten Sandford auf seiner zwei Jahre alten, ehemaligen Werks-Guzzi, mit Rang 3 weit über den Erwartungen ins Ziel. Zwei der Werks MV sahen die Zielflagge nicht. Taveri war nach schlechtem Start genauso wie MV Werks-Kollege Masetti, der in der zweiten Runde noch auf P4 gelegen hatte, im Lauf des Rennens ausgefallen.

Die Abfahrt vom berüchtigten Bray Hill kurz nach dem Start – in der Königsklasse fuhren die besten bereits damals hier mit bis zu 240 km/h hinunter. Wer sich auch für die späteren Jahrzehnte auf der Isle of Man interessiert, dem seien an dieser Stelle Buchexemplare wie beispielsweise „Meine TT“ von Lenz Leberkern (langjähriger Motorsport-Kommentator für Eurosport) wärmstens empfohlen.
Lightweight-Sieger Bill Lomas (MV Agusta 175 cm³) beim Willaston Corner auf seiner Siegesfahrt.

Die Junior Kategorie bis 350 cm³

Ähnlich wie 1952 auf der Solitude Werner Haas quasi über Nacht zum Werksfahrer wurde, weil sich die zwei Stammpiloten gleichzeitig verletzt hatten, kam auch Bill Lomas an der TT zu einer Werks-Guzzi. Er war anstelle seines bei einem Autounfall verletzten Landsmanns Dickie Dale ins Team der Italiener nach-gerückt. Und genau wie der Ire Reg Armstrong 1953 beim Ulster GP als NSU-Neuzugang bei den 250-ern bedankte sich Lomas gleich auf Anhieb mit einer sensationell starken Leistung. Natürlich profitierte er dabei von einem Topspeed-Vorteil gegenüber der englischen Konkurrenz von AJS und Norton von etwa 20 km/h, was die Sache für Bill wesentlich erleichterte. Auf der Einzylinder Guzzi traf zwei Plätzte hinter ihm als Sieger auch Cecil Sandford ein. Erstaunlich war dabei nur, dass der Schotte Mc Intyre auf seiner privaten Norton vor ihm und den dahinter folgenden drei Werks-Nortons von Surtees, Quincey und Hartle die Zielflagge sah und damit das Werksteam der ehemals in den grösseren Klassen dominierenden Engländer blamiert hatte. Im Ziel gab Mc Intyre sogar zu Protokoll, er habbe aufgrund von Überhitzung seiner Bremsen verlangsamen müssen und andernfalls womöglich sogar gewonnen. Der Leistung von Sonnyboy W.A. „Bill“ Lomas als Doppelsieger an der TT soll dies jedoch keinen Abbruch tun.

John Surtees auf der schnellsten Norton verpasste mit P4 das Podium nur knapp. Sein Stern sollte zudem in naher Zukunft noch weiter aufgehen, dazu sogar später auch noch auf 4 Rädern.
Bill Lomas auf einem der am unförmig wirkendsten Siegerbikes der Zweirad-Rennsport-Geschichte. Aber trotzdem war der Engländer an diesem Tag in der Junior Kategorie bis 350 cm³ auf der Einzylinder-Guzzi unschlagbar. Nachdem er noch in der zweiten Runde nur auf Position 6 gelegen hatte, tauchte Bill bereits im drittletzten Umlauf an der Spitze auf, wonach er sich vom Rest des Feldes abzusetzen begann und am Ende Mc Intyre als zweiten um eine Minute distanziert hatte.
Für einmal hier auch ein Foto der damals sehr populäre Clubman’s Kategorie, mit dem aus Kapstadt in Südafrika stammenden Joubert auf seiner BSA 350 cm³, mit welcher er zweiter in der Junior-Klasse wurde. Interessant bei dieser Aufnahme, dass sein Fahrstil mit dem innnenseitig ausgestreckten Bein in der Kurve sieben Jahrzehnte später als modern beschrieben werden sollte.

Die Königsklasse der Senior TT bis 500 cm³

Geoff Duke war definitiv auf dem Höhepunkt seiner Karriere angekommen, als er mit bereits fünf Titeln (zwei bis 350 cm³ und drei bei den 500-ern) in seiner Heimat antrat. Als amtierender Weltmeister war er haushoher Favorit für die Senior TT, hatte er doch dazu bereits fünf Siege auf der Isle of Man eingefahren. Damit bedeutete die Zahl sechs für ihn bezüglich Tourist Trophy Siege und Anzahl WM-Titel im Jahr 1955 eine besondere Grösse. Bei diesmal idealen Bedingungen standen nebst den Engändern auch 6 Piloten aus Neuseeland, 5 Australier, 4 Südafrikaner, je 2 Schweden, Finnländer und aus Ceylon (heute Thailand), sowie ein aus Frankreich angereister Fahrer mit am Start standen. Duke stellte mit einer neuen Rekord-Runde schon früh klar, dass der Sieg nur über ihn führen konnte. Mit Carter (Matchless, aufgrund eines Ventilschadens), Karlsson (Norton, mit Vergaserproblemen), Matchless Pilot Murphy und dem gestürzten Tait (Norton), sowie einigen anderen, gab es wie erwartet viele Ausfälle. Letztlich spielte dies für den überlegenen Triumphator Geoff Duke auf seiner 4-Zylinder-Gilera jedoch keine Rolle, als er beinahe zwei Minuten vor Werksteam-Kollege Armstrong die Zielflagge sah. Kavanagh brachte die schnellste Guzzi auf P3 ins Ziel und komplettierte das Podium vor Brett und Mc Intyre auf den besten Nortons und Derek Emmett mit seiner Matchless.

Gegen Geoff Duke auf der nur halb verkleideten Gilera war trotz Problemen mit aufkommenden Krämpfen ein weiteres Mal kein Kraut gewachsen.
Bob Mc Intyre war nebst dem bei den 500-ern auf P7 angekommenen Bill Lomas (welcher damit in allen Klassen in die Top Sieben gefahren war) und natürlich Superstar Duke, einer der erfolgreichsten Piloten der Tourist Trophy 1955 und gleichzeitig dritten Runde der Weltmeisterschaft. Der Schotte sollte auch am Ulster Grand Prix nochmals von sich reden machen.
Unsere Zusammenfassung von einer historisch erstmaligen Tourist Trophy, bei welcher kein englisches Fabrikat den Sieger ins Ziel trug, was es so in der Geschichte der TT zuvor nie gegeben hatte. Einzig Privatfahrer Mc Intyre schaffte es diesmal mit Rang zwei aufs Podium.

Weltmeisterschafts-Premiere für Runde 4 auf der Nordschleife

Die Traditionsstrecke des berühmten Nürburgrings in der Eifel war bereits vor dem Krieg weit über die Grenzen hinaus berühmt und ähnlich berüchtigt wie die Isle of Man. Nach der Solitude bei Stuttgart und dazwischen 1953 einem missglückten Zwischenspiel auf dem Schottenring kam nun die Nordschleife des Nürburgrings zum Handkuss für den Grand Prix von Deutschland. Nach der Tourist Trophy kam somit ein weiterer Kurs mit grosser Vorgeschichte an die Reihe, bei welchem in der Regel für Spektakel gesorgt war. Aber ein Umstand sorgte dafür, dass ganz im Gegensatz zu den drei Jahren davor, kaum ein Interesse der einheimischen Medien zu beobachten war. Auch bezüglich der Zuschauer-Zahlen sah es plötzlich düster aus, kamen doch lediglich etwa 30-tausend Besucher an die Eifel. Nur ein Jahr davon waren noch über 400-tausend Zuschauer mehr an die Solitude gepilgert. Es gab 1955 auch Stimmen, welche den jährlich wechselnden Veranstaltungsorten seit 1952 die Schuld daran gaben. Dazu konkurrierten sich damals mit ADAC und DMV auch noch zwei Institutionen, welche sich um die Vorherrschaft im Zweirad-Rennsport stritten. Als Folge davon zankten sich mehrere Events um die Durchführung des GP von Deutschland. Aber in Tat und Wahrheit waren die Medien damals zumindest mitschuldig am Zuschauerschwund und gesunkenen Interesse, weil sie ab 1955 nur noch spärlich darüber berichteten, Dazu trug natürlich der Rücktritt von Werner Haas als dreifacher Weltmeister und der NSU-Rückzug aus dem Grand Prix Sport bei.

Skizze der Nürburgring-Nordschleife mit einer Länge von 20,832 km (12,94 meilen) und 73 Kurven. Aufgrund von anfänglich zu dichtem Nebel musste der Start der ersten Kategorie um eine Stunde verschoben werden.
Nebst Monza und neu Assen war die Veranstaltung auf der Nordschleife in der Eifel eine der wenigen, die nicht auf öffentlichen Straßen ausgetragen wurde. Trots gutem Wetter, spannendem Rennsport und sehr eindrücklichem Panorama machten sich 1955 viel zu wenige Besucher auf den Weg zur Strecke.

Der vierte 125 cm³ Grand Prix von Deutschland

Natürlich war in Abwesenheit des zurückgetretenen NSU-Werksteams MV Agusta der klare Favorit und auch die mit diesen schnellen Viertakt-Einzylindern ausgerüsteten Privatfahrer durften sich gute Chancen auf Punkte ausrechnen. Eine kleine Truppe aus dem Osten Deutschlands, der damaligen DDR wurde dabei kaum beachtet, als sie ihre IFA Einzylinder-Zweitakter rennbereit machten. In den ehemaligen DKW Hallen in Zschopau wurde während dem Zweiten Weltkrieg natürlich für die Wehrmacht produziert worden und deshalb blieb nach schweren Bombenangriffen nur noch eine davon halbwegs brauchbar übrig. Auf Basis der DKW RT 125 der 1930-er Jahre wurde nun die IFA produziert und seit einigen Jahren diente sie den Leuten aus Sachsen auch als Basis für Renneinsätze. Obwohl es ihnen an vielem mangelte, was im Westen selbstverständlich war. Beispielsweise war Aluminium in der DDR extrem schwer aufzutreiben, genauso gute Zündkerzen oder brauchbares Werkzeug. Oft erhielten sie deshalb sogar Hilfe im Fahrerlager von ihren westlichen Kollegen. Und plötzlich waren sie mit dabei und Altmeister Bernhard Petruschke, genannt „Petrus“ und sein Teamkollege Erhart Krumpholz fuhren zur Verwunderund aller in die Punkteränge. Dies sollte jedoch erst der Beginn einer wurdersamen Geschichte sein. Gewonnen hatten die Werks-MV unter Ubbiali, Taveri und Venturi, gefolgt von Privatfahrer Karl Lottes aus Westdeutschland. Alle andern mussten sich der sympathischen kleinen Delegation aus der DDR beugen.

Bernhard Petruschke (links) und H.P. Müller beim Schauinsland Bergrennen von 1953, als der Mann aus der DDR in der Nähe von Freiburg zum ersten Mal im Westen wieder auf sich aufmerksam machte. Vor dem Krieg gehörte er zu den erfolgreichsten Fahrern der kleineren Klassen. Mehr über ihn siehe auf unserer Seite unter „History – Fahrer“.
Ubbiali vor Taveri lautete die Reihenfolge in der kleinsten Klasse häufig, nachdem beim Saison-Auftakt in Barcelona zuerst noch der Schweizer die Nase vorn gehabt hatte.

Das Glanzstück des Altmeisters in der Viertelliter-Klasse

Der beinahe unglaublichen Erfolgsgeschichte von H.P. (oft einfach nur „HaPe“ genannt) Müller widmeten wir auf unserer Seite (siehe „History – Fahrer“ ein eigenes Kapitel. Der Bielefelder siegte bereits vor dem Krieg auf DKW in der Europameisterschaft und bei Autorennen auf einem über 500 PS starken Auto-Union Rennwagen. Zudem sollte er ein Jahr nach seinem Glanzpunkt, als er beim Heim Grand Prix mit bereits 45 Jahren dieses Rennen gewann, auch noch mehrere Geschwindigkeits-Weltrekorde für NSU aufstellen. Er hatte als NSU-Werksfahrer davor deutlich im Schatten der Werksfahrer Haas und Hollaus gestanden, als nun im Status des Privatfahrers auf der NSU die Krönung seiner langen Karriere folgte. Unwiderstehlich zog er dem Rest des Feldes davon und selbst die Werks MV Agustas mit mittlerweile knapp über 200 cm³ mussten sich geschlagen geben, als einzig Taveri sich mit Rang 4 hinter Brand (NSU) und Sandford (Guzzi) zu klassieren vermochte. Anfänglich hatte Lomas noch mit Müller um die Spitze gekämpft, bevor er mit technischen Problemen an seiner Werks-MV ausfiel. Nach erst zwei von diesmal nur fünf Runden der 250-er Weltmeisterschaft lag der Deutsche mit 12 Punkten im Zwichenklassement in Führung. Dahinter Sandford mit 10 Zählern vor Lomas (8), Brand (6) und Guzzi Privatfahrer Wheeler mit 5.

„HaPe“ Müller auf seiner NSU Sportmax mit auch 1955 immer noch dem Firmensignet des deutschen Werks aus Neckarsulm auf dem Helm. Den 26. Juni 1955 sollte der Routinier die restlichen 20 Jahre seines Lebens wohl nie mehr vergessen, bevor er einen Tag vor Silvester 1975 an einer schweren Krankheit verstarb.

Der Wiederholungstäter aus England schlug bis 350 cm³ erneut zu

Im Gegensatz zu den kleineren beiden Kategorien mit MV als einzig teilnehmendem Werksteam, gab es bei den 350-ern immerhin ein Duell zwischen Moto-Guzzi und DKW. Somit standen für die Italiener Bill Lomas, Duilio Agostini und Ken Kavanagh am Start, während „Gustl“ Hobl, „Sissi“ Wünsche, Karl Hofmann und Trial-Fahrer Bodmer die Fahne für DKW hochzuhalten versuchten. Dazu traten noch Masetti und Bandirola auf, nennen wir es vorsichtshalber halb-offiziellen MV’s an. Nach dem Start war es August Hobl, der in Führung ging und von Surtees und Lomas verfolgt, sich durch die anspruchsvollen Streckenteile der über 20 Kilometer langen Nordschleife versuchte vorne zu halten. Aber bereits eine Runde später setzte sich Lomas auf seiner Guzzi an die Spitze, wobei ihm der Deutsche jedoch bis ins Ziel in Sichtweite folgte. Dahinter gab auch Surtees nicht auf, der seinerseits stets an Hobl dranblieb, ihn aber nicht zu überholen vermochte. Am Ende blieb es bei dieser Reihenfolge und mit dahinter Cecil Sandford und Ken Kavanagh (beide Guzzi) vor der zweitbesten DKW von Hofmann waren die Punkteränge vergeben. Da erst zwei von sechs Runden bei der Weltmeisterschaft bis 350 cm³ gefahren waren, hatte der Vorsprung von Lomas auf seine Verfolger im Zwischenklassement nach dem GP von Deutschland untergeordnete Bedeutung.

Bill Lomas auf der 350 cm³ Einzylinder-Guzzi war nach seinem TT-Doppelsieg zumindest in der zweitgrössten Klasse auch auf dem Nürburgring unschlagbar.
August Hobl (DKW 350) mit dem Sieg auf der Nürburgring Nordschleife beim Eifelrennen. Leider erlöste der Ingolstädter die kurz vor dem zweiten Weltkrieg erfolgreichste Marke nie mit dem ersten Grand Prix Sieg, auch wenn es beim Grand Prix von Deutschland nur knapp daneben ging. Dabei traten er uns seine Team-Kollegen übrigens ohne die voluminöse Verschalung an.
Nach glücklosem 500 cm³ Rennen schaffte es John Surtees auf der Norton diesmal bei den 350-ern aufs Podium, was er auf der Isle of Man mit Rang 4 noch knapp verpasst hatte.

Nächster Favoritensieg in der Königsklasse

Mit Gilera gegen MV Agusta gab es hier mittlerweile nur noch einen Zweikampf um den Sieg, nachdem die Konkurrenz mit Ein- und Zwei-Zylinder Motoren selbst auf Straßenkursen absolut chancenlos waren. Damit hatten sich BMW, AJS und Norton offensichtlich abgefunden. Damals fehlten diesen Herstellern aber auch die Mittel für kostspielige Neuentwicklungen, auch weil sich das Auto immer mehr auf dem Vormarsch befand, was die Verkaufszahlen gegenüber Motorrädern betraf. MV Agusta war als Produzent von Hubschraubern diesbezüglich in einer Sonderstellung und Gilera hatte mit 4-Zylinder-Motoren eine lange Tradition. Im Rennsport waren sie vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg das Mass aller Dinge und deshalb hatte auch Geoff Duke rechtzeitig zu den Italienern gewechselt. Als unbestritten stärkster Fahrer seiner Zeit bewies er auch auf dem Nürburgring seine Sonderklasse und einzig BMW-Werkspilot Zeller als Nordschleifen-Kenner vermochte ihm halbwegs auf den Fersen zu bleiben. Die beiden Italiener Bandirola und Masetti auf ihren MV trafen mit riesigem Rückstand von über 3 Minuten auf die beiden Spitzenreiter im Ziel ein. Der von einem vorherigen Sturz noch angeschlagene Colnago (Gilera) wurde vor Ahearn auf der schnellsten Norton nur fünfter. Armstrong als bis dahin im Zwischenklasement vor Duke führender blieb in Runde 4 stehen, womit Duke zu Halbzeit der Saison knapp vor ihm die Spitze übernahm. Dies mit 24 Punkten gegenüber 18 des Iren und Bandirola mit 10, alle anderen Konkurrenten lagen bereits weit zurück.

Ein überragender Duke krönte die Veranstaltung auf der Nordschleife mit einem neuen absoluten Runden-Rekord und dabei einem Schnitt von 131.7 km/h. Ubbiali hatte bei den 125-ern nach dem dritten Sieg in Folge nur noch Werksteam-Kollege Taveri als Gegner, was den Titelkampf betraf. Bei den mittleren Klassen war diesbezüglich alles noch völlig offen.
Bei der Kategorie bis 500 cm³ war die Bedeutung der Vollverschalungen äusserst gering, was die Hersteller mit den 4-Zylinder Motoren wie Gilera und MV aufgrund deren Mehrleistung gegenüber der Konkurrenz betraf. Bei den anderen Fabrikaten ging es aber kaum ohne, um bezüglich Topspeed zwischen etwa 10 und 20 km/h damit herauszuholen.

Ein tragisches Schicksal überschattete die Eifel-Premiere

Leider gab es auf der äusserst gefährlichen Nordschleife, erstaunlicherweise im Gegensatz zur TT, beim Grand Prix von Deutschland ein Opfer zu beklagen. Nachdem der Argentinier Ricardo Calvagni in der Fuchsröhre verhängnisvoll zu Sturz kam, verstarb er noch auf der Unfallstelle. Sein Landsmann Armando Poggi hatte sofort nach dem Start ein horrendes Tempo vorgelegt. Dies wurde ihm jedoch kurz danach bei der Arembergkurve zum Verhängnis. Er fuhr die Kurve zu schnell an, stürzte und brach sich unter anderem dabei beide Arme. Der ihm folgende Calvagni konnte die Unfallstelle passieren und fuhr weiter. Zwischenzeitlich war ein Rettungswagen zur Unfallstelle geeilt. In der zweiten Runde war Calvagni davon überrascht, den Rettungswagen auf der Rennstrecke zu sehen und er fuhr ohne zu Bremsen geradeaus und stürzte bei der Fuchsröhre die Böschung hinunter. Mit einem Genickbruch hatte Ricardo keine Chance zum Überleben.

Carlo Bandirola (MV Agusta) – von seinen Landsleuten oft auch der Löwe von Oltrepò genannt, war ähnlich wie Luigi Taveri für seinen wilden Fahrstil bekannt. Genau wie der Schweizer holte er seine größten Erfolge im bereits fortgeschrittenen Alter. Trotz ihrer riskanten Fahrweise wurden die beiden glücklicherweise nicht Opfer ihrer Leidenschaft, während allein in den 1950-er Jahren über 120 Piloten ihr Leben dabei verloren.

Eine Weltmeisterschaft in der Krise

Auf dem Nürburgring war enttäuschenderweise FB-Mondial nicht angetreten, womit sie den Kampf um den Titel gegen MV Agusta freiwillig aufgaben. Nach dem werksseitigen Rückzug von NSU und dazu den englischen Werken von AJS und Norton steckte die Motorrad-WM damit nun endgültig in einer tiefen Krise. BMW machte schon seit 1952 nur halbherzig mit und die vor dem Krieg so erfolgreiche Marke DKW hatte mit Standfestigkeits-Problemen ihrer Dreizylinder-Zweitakter zu kämpfen. Horex und Adler hatten sich nach 1954 ebenfalls zurückgezogen. Der Rennsport allgemein wurde nach der Tragädie von Le Mans in der Öffentlichkeit immer stärker hinterfragt und die seit Jahren viel zu vielen Toten bei den Zweirädern trugen natürlich noch dazu bei. In den Medien vieler Länder, darunter besonders England, Deutschland und Frankreich, wuchs auch die Kritik an der FIM. Weil diese als oberste Motorsportbehörde für das Wohl des Rennsports verantwortliche Institution meist nur zusah, statt zu reagieren, stiegen immer wieder Werke aus, die man aus Sicht vieler Beobachte hätte halten können. Aber über Jahrzehnte sollten die Verantwortlichen der FIM weiterhin erst reagieren, wenn es zu spät war und selbstherrlich regierend wirken, als interessieren sie sich nur für das eigene Wohl und ihre Macht. So zumindest das Echo vieler Beobachter über mehrere Epochen des Motorsports, darunter zahllose Journalisten und Experten.

Die Kategorie bis 350 cm³ entwickelte sich nebst der Viertelliter-Klasse 1955 zur spannendsten Serie, mit in der Mitte TT Sieger Bill Lomas (Moto-Guzzi), links Bob Mc Intyre (Norton) und rechts Cecil Sandford auf der zweiten Guzzi.
Die MV Agusta 4-Zylinder Rennmaschine mit 500 cm³ hatte ihre beste Zeit damals noch vor sich. Wie die fast baugleiche Gilera leistete ihr Motor rund 70 PS, was für einen Topspeed von ca. 260 km/h reichte.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).