Toprak Razgatlioglu (Pata Yamaha with Brixx) als Gesamtsieger von Donington – die Regengötter meinten es gut mit dem Türken und es blieb am Sonntag entgegen den Prognosen weitestgehend trocken, worauf er seine Chance entschlossen packte.

Führungswechsel in der Weltmeisterschaft nach Toprak-Sieg und Rea Crash

Nach dem Superpole Race gab es bereits eine Verschiebung, mit welcher vor Saisonbeginn noch kein Mensch gerechnet hätte. Nach dem desolaten Ergebnis vom Samstag mit nur 6 Punkten gab es auch im Sprintrennen nur zwei weitere Zähler für die lange Zeit zweite Kraft hinter Kawasaki. Damit wurde Ducati nach den starken Resultaten von Toprak am Vortag und Gerloff mit P5 am Morgen nun sogar von Yamaha überholt und war vor dem letzten Rennen am Sonntag nur noch dritter in der Herstellerwertung. Mit Jonathan Rea hatte es im Superpole Race einen klaren Sieger gegeben und der Nord-Ire war auch klarer Favorit für den zweiten Lauf über die volle Distanz an diesem Wochenende.

Die Zuschauerzahl an der Strecke war auf viertausend limitiert, aber wenigstens waren wieder Besucher erlaubt und die Fahrer fuhren kein weiteres sogenanntes Geisterrennen. Trotz hoher Wahrscheinlichkeit für Regen war die Prognose mal wieder wie so oft in diesem Jahr mehrheitlich weit daneben und deshalb brauchte man vor allem am Samstagmorgen einen Schirm.

Die Reifenwahl – ein wahres Pokerspiel
Kurz nachdem die Fahrer auf die Besichtigungsrunde gegangen waren, kamen trotz Sonnenschein vom Himmel einige Regentropfen. Dies dürfte vor allem Toprak Razgatlioglu verunsichert haben, der als alles andere als ein Regenspezialist gilt. Es war damit klar, dass es sogenannte Mischbedingungen geben würde und die Reifenwahl einer Lotterie gleichkam. Bei einer laut Prognose neunzig-prozentigen Wahrscheinlichkeit für Regen mussten Teams und Fahrer erneut ein Pokerspiel eingehen und es war eher nicht damit zu rechnen, dass Redding wie am Morgen erneut auf Regenreifen setzen würde. Vielmehr gingen fast alle Piloten auf dem SCX-Reifen ins Rennen und mussten dabei hoffen, dass kein Regen einsetzen würde. Nach dem Start schoss Toprak von P6 auf Position zwei nach vorne und balgte sich in der ersten Runde mit Tom Sykes um die Verfolgerrolle, während Rea zum dritten Mal an diesem Wochenende an der Spitze lag.

Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) vor Toprak Razgatlioglu (Yamaha YZF R1) und Tom Sykes (BMW M-1000RR) war die anfängliche Reihenfolge nach dem Start, bei welchem der Türke erneut von Position 6 kommend wie am Vortag hinter dem Leader am besten weggekommen war.

Der Zweikampf um die Spitze
Während Sykes früh Mühe hatte, dem Führungsduo zu folgen, entbrannte vorne der erwartete Kampf um die Spitze zwischen dem WM-Leader und seinem ersten Verfolger im Titelkampf. Hinter Sykes auf P3 folgten Gerloff, Haslam, van der Mark, Lowes, Redding, Mahias und Rinaldi. Als noch 20 Runden zu fahren waren, überholte der Türke auf seiner Yamaha zum ersten Mal den Kawasaki Piloten und übernahm damit das Kommando. Der amtierende Weltmeister liess sich aber nicht von Toprak abschütteln und heftete sich an dessen Fersen, während dahinter Redding an van der Mark und Lowes vorbei auf P6 vorgestossen war. Wenig später verpasste Rea die Schikane bei Kurve 9, worauf er etwas an Boden auf den Leader auf der Yamaha verlor. Haslam verlor einige Positionen und fiel innert zwei Runden hinter Mahias auf Position 9 zurück.

Tom Sykes (BMW M-1000RR) erlebte eine Sternstunde auf seiner zweiten Lieblingsstrecke nebst Assen, als er zweimal nacheinander am Sonntag um das Podium mitkämpfen konnte, nachdem er dieses am Samstag nur um eine Position verpasst hatte (© BMW Motorrad WorldSBK).

Der 6-fache Weltmeister gibt nicht auf und begeht seinen ersten Fehler
Nach dem ersten Renndrittel wurde klar, dass Johnny Rea alles andere als aufgegeben hatte. Er fuhr mit einer schnellsten Rennrunde wieder an Toprak heran und begann diesen erneut unter Druck zu setzen. Als noch 14 Runden zu fahren waren, lag der Kawasaki Werksfahrer wieder an der Spitze, nachdem er in Kurve 8 innen an Razgatlioglu vorbeigegangen war. Es war der erste Fehler des amtierenden Weltmeisters, als er in genau der Ecke stürzte, in welcher er zuvor die Führung vor dem Türken übernommen hatte. Auf Position 20 setzte er 12 Runden vor Schluss seine Jagd fort, aber zu diesem Zeitpunkt hatte der damit wieder an der Spitze liegende Toprak bereits provisorisch die WM-Führung um zwei Punkte übernommen. Hinter ihm war Gerloff an Sykes vorbeigegangen und lag damit auf Position 2, mit Redding rund eineinhalb Sekunden hinter sich, als noch 7 Runden zu fahren waren.

Scott Redding (Aruba.it Ducati) erlebte genaugenommen ein wesentlich schwärzeres Wochenende als Jonathan Rea – die einzigen Punkte holte der amtierende Vizeweltmeister im zweiten Rennen am Sonntag, wobei er jedoch hinter Sykes das Podium verpasste.

Der Yamaha Doppelsieg und Rea Sturz verändert alles

Während Rea abgeschlagen zwanzigster wurde, während Yamaha einen Doppelsieg feierte, veränderte sich in der Weltmeisterschaft auf einen Schlag alles. Aber man sollte dabei auch an die Situation von 2019 denken, als nach 11 Siegen in Folge Alvaro Bautista mit 63 Punkten Vorsprung auf das Kawasaki Ass in der WM geführt hatte. Toprak Razgatlioglu ist zum ersten Mal in seiner Karriere WM-Leader und nun in einer völlig neuen Situation. Und keiner ist so hartnäckig wie Johnny Rea, wenn er als Herausforderer ins Rennen geht. Mit Assen kommt zudem nun eine Strecke, die dem Nord-Iren sehr liegt und wo die Kawasaki bisher immer perfekt funktionierte. Es wird interessant zu beobachten sein, was der Druck einer WM-Führung auf der anderen Seite aus Toprak macht. Eine wirklich konstante Saison hatte das Yamaha Ass bisher noch nie gezeigt und die Last der Gedanken mit einem möglichen ersten Titel machte bereits aus Fahrern wie Fabio Quartararo im Vorjahr eine ganz andere Person. Nachfolgend das offizielle Resultat mit dem einzigen als Trockenrennen gestarteten Lauf an diesem Wochenende, obwohl es bei den Rennen eigentlich nie geregnet hatte.

Die ersten Interviews nach dem Rennen
Tom Sykes war überglücklich und er konnte das Rennen laut eigener Aussage sehr geniessen. Es war ein großartiges Wochenende für ihn und BMW und nun hätten sie endlich bekommen, was sie aus seiner Sicht verdient hatten. Endlich sei er in der Lage gewesen, vorne mitzufahren und auch wenn Toprak einsame Spitze gewesen und auch Garrett sehr stark war, die Freude über Platz drei überwiege nach dem zweiten Podium des Tages alles für ihn. Der zweitplatzierte Gerloff war nach seinem zweiten Podium der Saison natürlich ebenfalls überglücklich. Es war für ihn teils sehr hart in den letzten Runden, wie er zu Protokoll gab und nun wieder auf dem Podest zu sein, sei absolut traumhaft und einfach nur schön. Am Morgen war Toprak laut eigener Aussage absolut nicht zufrieden, aber nun sei er selbstverständlich überglücklich. Mit nur wenigen Worten blieb der junge Türke wie üblich sehr wortkarg und zeigte nach seinem Triumph kaum Emotionen. Aber immerhin betonte er, sich auf die nächste Runde in Assen zu freuen, bevor er sich artig bei seinem Team bedankte und vom Mikrofon verabschiedete.

Garrett Gerloff in der GRT Yamaha Box – der Texaner zeigte trotz Sturz am ersten Tag mit danach Rang 7 und als fünfter am Morgen am Ende nachmittags wieder eine sensationell starke Leistung und er wurde nur 2,243 Sekunden hinter Toprak hervorragender Zweiter.

Stand in der WorldSBK Weltmeisterschaft

Es gilt zu bedenken, dass Jonathan Rea trotz Sturz im letzten Rennen mit 32 Punkten am Wochenende von Donington hinter Toprak Razgatlioglu (54), Tom Sykes (38) und Garrett Gerloff (34) der viertbeste Fahrer war. Redding hingegen holte nur deren 13 und verlor auf die beiden in der WM vor ihm liegenden weiter an Boden. Dazu hat er Lowes im Genick, der sich mit seinem Sturz am Morgen die Chance verbaut hatte, seinen Landsmann nach dem Superpole Rennen gar von Position 3 zu verdrängen. Für Assen ist mit zahlreichen Verschiebungen zu rechnen und sollte es dort regnen, ist der WM-Leader mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit seine Führung bereits wieder los. Dies drohte ihm bereits in Donington, aber es blieb trocken und erst dieser Umstand erlaubte es dem Türken, sein volles Potenzial auszuspielen und die Spitze im Zwischenklassement nach dem Fehler von Rea zu übernehmen.

P, Rider, Points
1 RAZGATLIOGLU 183
2 REA 181
3 REDDING 117
4 LOWES 114
5 RINALDI 94
6 GERLOFF 93
7 SYKES 89
8 VAN DER MARK 81
9 DAVIES 64
10 BAUTISTA 57
11 LOCATELLI 51
12 BASSANI 47
13 HASLAM 41
14 MAHIAS 36
15 RABAT 18
16 NOZANE 17
17 LAVERTY 14

Der Donington Park Circuit

Der in unmittelbare Nähe des East Midland Airport gelegene Kurs ist 4.023 Kilometer lang. Mit 7 Rechts- und 5 Linkskurven ist die Start-Zielgerade als längste nur gerade 550 Meter lang.

Wie es weitergehen soll – der immer noch provisorische Kalender

Die nächste Runde wird in der „Cathedral of Speed“ sein, wo laut den Veranstaltern die Zuschauerzahl unbeschränkt sein soll. Im Gegensatz zur MotoGP beträgt die Pause der WorldSBK bis Assen nur drei Wochen, weil der Saisonauftakt deutlich verzögert war. Aufgrund der Corona-Pandemie und der damit verbundenen Auflagen besteht aber Test- oder Impfpflicht, respektive überstandene Infektion und es wird natürlich keine Paddock-Show geben, weil die Fahrer und Teams in einer sogenannten Bubble bleiben sollen. Wie undicht diese ist, sahen wir jedoch bei vielen MotoGP Rennen diese Saison bereits zur Genüge und wer genug Geld zahlt, findet in der Regel einen Weg, doch sehr nahe dabeizusein. Die Europa-Runden gelten jedenfalls als gesichert, aber die Übersee-Rennen gelten als sehr unsicher, auch wenn sie im Kalender weit hinten stehen.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).