Stürze wie hier in Le Mans (Frankreich) von Alex Marquez mit der Nummer 73 und Lica Marini (Nr. 10) sind im Zweirad-Rennsport normal, aber in der Häufung wie seit Einführung des Tissot Sprintrennens 2023 wirkt es mittlerweile bedrohlich. Zudem sind die Piloten immer öfter und für längere Zeit verletzt als in den Jahren davor. Auf einige der Ursachen dafür wird in diesem Artikel eingegangen, begleitet von Vorschlägen zur Verbesserung, bevor die Gesundheit der Piloten noch mehr als derzeit bedroht wird.

Immer dramatischere Verletzungsserie der MotoGP

Um eines vorwegzunehmen, wir freuen uns mit vielen Fans über das neu eingeführte Tissot Sprintrace am Samstagmorgen. Dieses von der WorldSBK seit bereits 2019 bekannte und auf die Saison 2023 auch für die MotoGP übernommene Kurzrennen brachte definitiv frischen Wind in die Szene. Auf der anderen Seite findet die gleichzeitig inkraft gesetzte „Fan Parade“ vor allem unter den Piloten der Königsklasse nicht wenige Skeptiker. Laut Pramac Ducati Aushängeschild Johann Zarco könnte es mit ein Grund für die derzeit ungewöhnlich hohe Zahl an Verletzungen sein, welche die MotoGP zu beklagen hat. Immerhin stört es die Konzentration vieler Fahrer in der Vorbereitung, aber sie haben keine Wahl. Dorna und FIM haben das Sagen und diese selbstherrlichen Organisationen sind durchaus für viele Probleme der neueren Zeit verantwortlich. Unsere nachfolgende Statistik mit dem WM-Zwischenstand zeigt Ausfälle (aufgrund von Stürzen oder technischen Problemen mit „nc“ bezeichnet) und Verletzungspausen (mit „inj“ markiert) in roter Farbe. Die Zahl dieser Fälle ist im Vergleich zu früheren Jahren schlicht haarsträubend.

Alle Test- und Ersatzfahrer sind in Kursivschrift aufgeführt und GasGas-KTM Neuzugang Pol Espargaró hat aufgrund seines fürchterlichen Crashs im Freitagstraining in Portimão bisher noch überhaupt keine Punkte einfahren können. Wie von uns damals angekündigt, wird er erst wieder nach der Sommerpause erwartet. Übrigens ist der einzige Mann, welcher in den ersten 8 Runden nie ausfiel und in keinem Rennen stürzte, der bei Monster Energy Yamaha womöglich nicht mehr lange unter Vertrag stehende Franco Morbidelli.

Honda das logische Hauptopfer des neuen Zeitplans

Bei Betrachtung unserer Grafik fällt stark auf, dass insbesondere Piloten viele Ausfälle hatten, welche auf diese Saison die Marke oder das Team wechselten. Bei Bruchpilot Jack Miller, der vor seinem riskanten Umstieg auf die KTM trotzdem früh zu beeindrucken mochte, waren (zu) viele Stürze bereits auf der Ducati sein Markenzeichen. Lassen wir zudem Marc Marquez aussen vor, gehören vor allem seine neuen Markenkollegen Alex Rins und Joan Mir nach ihrem Wechsel von Suzuki zu den Hauptbetroffenen der verkürzten Trainingsmöglichkeiten. Genauso Pol Espargaró (von Honda zu GasGas-KTM gewechselt), Alex Marquez nach seinem Umstieg von LCR Honda zu Gresini Ducati, sowie die beiden Aprilia Neuzugänge Miguel Oliveira und Raul Fernandez. Weil die Honda als besonders schwierig bei der Abstimmung gilt, leiden Rins und Mir auf der RC213V häufig am meisten. Weil neu bereits im FP1 von Beginn an attackiert werden muss und bereits im zweiten freien Training die Entscheidung für Q1 oder direkt das Q2 fällt, stieg der Druck auf alle Fahrer gewaltig. Dies ist der Preis, welchen die Piloten im Freitag für den neuen Zeitplan zahlen.

Fabio Quartararo (Monster Energy Yamaha) ist mit der neuen M1 ebenfalls einer der vielen von dem neuen Zeitplan geplagten Fahrer. Im Rennen kann der schnelle Mann aus Nizza durchaus mithalten, aber durch die gekürzten Trainingsmöglichkeiten schafft es der Franzose nur selten direkt ins Q2, was in den 4 Jahren davor interessanterweise stets zu seinen Stärken zählte. Wahre Experten sind davon überzeugt, dass nicht nur die neue Yamaha daran die Hauptschuld trägt, geschweige denn der Weltmeister von 2021.

Was läuft derzeit falsch und was ist zu verbessern?

Statt in Sepang vor Saisonbeginn zu testen, was für die meisten anderen Strecken für Teams und Piloten völlig wertlos ist, sollte die Dorna besser auf Südeuropa setzen. Auf dem Autodromo do Algarve in der Nähe von Portimão kann das ganze Jahr gefahren werden, genauso im von dort sehr nahe liegenden Jerez de la Frontera. Das spart Unsummen an unnötigen Flug- und Transportkosten gegenüber der weiten Reise nach Malaysia und die Erkenntnisse aus den offiziellen Tests wären bereits früh in der Saison sehr viel wertvoller. Zudem sind Rookies und das Team oder die Marke wechselnde Piloten mit zwei oder drei Tests vor Saisonbeginn wesentlich besserer dran. Ausserdem sollte der Zeitplan umgestellt werden und hierzu wäre ein freies Training am Freitagmorgen von mindestens 40 Minuten sehr wichtig, bei welchem es noch um keine Qualifikation gehen sollte. Danach wie bisher das FP1 für Moto3, Moto2 und MotoGP wie gehabt und nachmittags ebenfalls. Statt der fragwürdigen Fan Parade um 10 Uhr am Sonntagmorgen dazu lieber das zweite Rennen der MotoE. Wir garantieren mit einer solchen Änderung, dass schlagartig Besserung in Bezug auf die dramatisch angestiegene Zahl an Verletzungen eintreten würde.

LCR Honda Neuzugang Alex Rins als Sieger des Grand Prix der USA – er stellte die Behauptung sehr vieler sogenannter Experten und Kommentatoren, der Honda fehle es 2023 an Konkurrenzfähigkeit, gehörig auf den Kopf. Mit Rang 2 im Sprintrennen und seinem Sieg in Austin (Texas) bewies der Katalane, dass mit der richtigen Einstellung und perfekter Vorbereitung jedes Motorrad der aktuellen MotoGP gewinnen kann. Weil für ihn die RC213V noch neu ist und Alex zu wenig Testmöglichkeit damit hatte, klappt dies jedoch noch nicht auf allen Strecken und sobald man es mit Gewalt passiert, hat man mit Stürzen und Verletzungen zu rechnen.

Genauso wichtig – konsequente Anwendung von Regeln

Wenn wie beim Grand Prix von Le Mans ein Mann wie Francesco Bagnaia komplett ausrastet, nachdem er gestürzt ist und auf seinen Widersacher losgeht, gehört er empfindlich bestraft. Vor allem wenn er mit den Fäusten auf einen Mann wie Maverick Viñales losgeht, der von „Pecco“ bei dessen Sturz unschuldig ebenfalls crashte. Die Fausthiebe auf seinen Helm vom amtierenden Weltmeister sind eine unglaubliche Unsportlichkeit, aber der Italiener kam straffrei davon. Dies ist ein sportlicher Skandal, den völlig unfähige und inkonsequente FIM Kommissare zu verantworten haben. Stattdessen bestrafen sie nach Lust und Laune viel zu oft die falschen für angebliche Vergehen, bei welchen andere ohne Sanktion davonkommen. Während viele Journalisten und Kommentatoren darauf anfänglich selten oder nie eingingen, gehörten wir ab 2019 bereits früh zu den Kritikern dieser fragwürdigen, viel zu oft die Resultate verfälschenden Handhabung.

Start zum Grand Prix der USA in Austin (Texas) mit vorne im Bild dem amtierenden Weltmeister Bagnaia mit der Nummer 1 auf seiner Lenovo Ducati. Der Italiener führte sich in Le Mans nach seinem Eigenfehler gegenüber Aprilia Pilot Maverick Viñales wie ein Halbstarker Schläger auf , als er auf diesen einprügelte. Beispielsweise im Fussball zieht solches Verhalten unweigerlich eine rote Karte und Sperre nach sich. Wäre nicht Ducati Pilot Bagnaia der Übeltäter gewesen, hätten ihn die FIM Stewards garantiert bestraft, aber aus skandalösen Gründen kam er sanktionsfrei davon.

Es gibt unzählige Fälle inkonsequenter Anwnedung der Regeln
Ein gutes Beispiel dafür war im Grand Prix der Niederlande die doppelte Rückversetzung von Brad Binder, als der Südafrikaner Rang 3 aufgrund seiner Berührung der grün markierten „verbotenen Zone“ erhielt (zuerst im Sprintrennen und danach am Sonntag im GP). Ein Rennen davor begingu sein Red Bull Moto2 Kollege Pedro Acosta bei seinem Long Lap Penalty exakt dasselbe Vergehen, blieb jedoch dafür unbestraft und behielt Platz 3. Derartige Vorfälle schaden nicht nur dem Rennsport, sondern auch dem Ansehen der obersten Rennsportbehörde FIM, welche dies partout nicht wahrhaben will. In Spielberg zeigte sich am ersten Juliwochenende eindrücklich, wie schlecht Track Limits für den Sport sein können, als es über 1000 sogenannter Vergehen gab und die Kommissare völlig überfordert waren, diese zu verfolgen. So kam es bei Nico Hülkenberg zur Verwarnung eines Fahrers, welcher gar nicht mehr im Rennen war, Das offizielle Rennergebnis konnte zudem erst über 5 Stunden nach Fallen der Zielflagge verkündet werden.

Start zum Grand Prix von Argentinien mit Runde 2 der MotoGP und dem ersten Regenrennen der Saison. Mit der Nummer 22 als zweitem von rechts Franco Morbidelli, der seinen Platz bei Monster Energy Yamaha trotz einigen guten Resultaten auf das Jahresende 2023 droht zu verlieren. Der Italiener beschwerte sich öffentlich über FIM Entscheidungen, was ihn für die höchst nachtragenden Kommissare prompt zur Zielscheibe von weiteren Sanktionen macht.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).