WM-Leader Fabio Quartararo (Petronas Yamaha SRT) – immer wieder tauchen derzeit Diskussionen auf, wieviel in der verkürzten Corona ein WM-Titel wert sei, welcher zudem (zumindest in der Königsklasse) nur auf europäischen Kursen ausgetragen wird (© MotoGP).

Einige Fakten zur Diskussion bezüglich dem Wert der WM 2020

Kürzlich meldete sich dazu aus seinem Vorruhestand auch Ex-Weltmeister Casey Stoner zu Wort. Der Australier verfügt offensichtlich über wenig Kenntnis der Geschichte des Motorrad-Rennsports. Andernfalls wüsste er, dass die sogenannte Straßen-Weltmeisterschaft seit 1949 ausgetragen wird und die ersten 12 Jahre sämtliche Läufe dabei jeweils nur in Europa stattfanden. Ein weiterer Fakt ist, dass es in den ersten drei Jahren zudem eigentlich das Prädikat „Welt“ für diese Meisterschaft gar nicht verdiente. Aufgrund der Repressalien gegenüber dem Kriegsverlierer Deutschland waren dessen Fahrer von 1949 bis 1951 nämlitch gar nicht zugelassen. Erst 7 Jahre nach dem 2. Weltkrieg durften die Deutschen Piloten wieder mittun. Natürlich machten aus diesem Grund auch die bereits vor dem Krieg sehr erfolgreichen deutschen Werke nicht mit. So gesehen war die Motorrad-WM in den ersten 3 Jahren ihres Bestehens eigentlich eine Farce. Nachfolgend zur Verdeutlichung die Statistik der letzten Europameisterschaft vor Kriegsausbruch.

Die Europa-MeisterschaftsRennen 1939 mit in Fettschrift den Teilnehmern aus Deutschland. Sie gewannen auf ihren deutschen Fabrikaten mit 11 von 21 mehr als die Hälfte der Rennen. Ewald Kluge und Siegfried Wünsche holten ab 1952 sogar wieder WM-Punkte. Obwohl sie nach dem 6 Jahre dauernden Krieg noch 7 Jahre für ihre WM-Teilnahme warten mussten, statt deren 4 wie die Fahrer aus allen andern Ländern. Übrigens gewann Deutschland im 2. Jahr nach der Teilnahmeberechtigung ihrer Fahrer mit NSU und Werner Haas zwei von 4 WM-Titeln. Dies unterstreicht, wie wertlos die ersten 3 WM-Jahre vor diesem Hintergrund eigentlich waren.

Die angeblich geringe Zahl von 15 Rennen

Wer unsere historischen Artikel regelmässig liest oder ab und zu in unserer History herumblättert, weiss zudem auch bezüglich der Anzahl von WM-Runden mehr als ein ehemaliger Weltmeister wie Casey Stoner. Nachdem dieser bei 15 WM-Runden für den geänderten Kalender 2020 von wenig spricht, sollte er besser mal einen Blick auf die ersten Jahrzehnte der Motorrad-WM werfen. Im ersten Jahr der Motorrad-Weltmeisterschaft fanden bei den 125-ern gerade einmal 3 (in Worten drei) Rennen statt. In der 250 cm³ Klasse waren es gar deren vier. Genauso eine Saison später, nur bei den 350-ern und der Königsklasse bis 500 cm³ gab es 1950 sechs WM-Runden. Fünf Jahre später wurde der 500-er Titel immerhin über acht Runden ausgetragen, während es in der 350 cm³ Klasse 7, bei den 250-ern fünf und bis 125 cm³ über 6 Runden ging. In diesem Jahr gewann mit dem Deutschen H. P. Müller auf NSU in der 250 cm³ Klasse übrigens zum ersten Mal ein Privatfahrer einen WM-Titel. Mehr über ihn und andere interessante Geschichten von Fahrern aus früherer Zeit siehe in unserer ständig wachsenden History. Tatsache ist, dass erst im Jahr 1987 in der bereits 39. Saison der Motorrad-WM zum ersten Mal 15 Rennen ausgetragen wurden. Das 51. Jahr der Prototypen WM war 1999 das erste mit mehr als 15 Rennen in einer Saison, nämlich deren 16. Vor diesem Hintergrund wirkt die Kritik an zu wenigen Rennen in der Corona-Saison wahrhaft lächerlich.

H. P. Müller im Jahr 1955 auf seiner NSU Sportmax, mit welcher der Deutsche in der 250 cm³ Klasse erster Privatfahrer mit einem Weltmeistertitel wurde. Vor dem 2. Weltkrieg war der vormalige DKW Werksfahrer 3 Jahre mit über 500 PS auf 4 Rädern für Auto Union in der Europameisterschaft (Vorläufer der heutigen Formel 1) unterwegs. Als punktbester Pilot im Jahr 1939 kam der Krieg und danach viele mühseligen Jahre als Privatfahrer, wieder auf 2 Rädern. Trotzdem holte der Bielefelder in seiner Karriere nebst dem WM-Titel auch noch deren 7 in der Deutschen Meisterschaft.

Die Anzahl der WM-Runden pro Kategorie 1949 bis 1989

In Kursivschrift in der rechten Spalte die Jahre, als die sogenannte „Schnapsglasklasse“ bis 80 cm³ anstelle des seit 1962 gängigen Hubraums von 50 cm³ ausgeschrieben war. Ab 1990 verschwanden die ganz kleinen Mopeds ganz von der WM-Bühne, während für die 350 cm³ Kategorie bereits ab 1983 Schluss war.

Die Anzahl der WM-Runden pro Kategorie 1990 bis 2019

In Kursivschrift die Jahre der Zweitakt-Ära, bevor diese Bikes per Reglement durch solche mit Viertakt-Motoren abgelöst wurden. Für die Saison 2020 hätte die WM zum ersten Mal über 20 Runden ausgetragen werden sollen, doch die Corona-Pandemie machte diese Planung zunichte.

Der Wert eines MotoGP Titels in Abwesenheit von Marc Marquez

Hierzu kann es grundsätzlich nur eine Meinung geben. Marc Marquez stürzte im 1. Rennen von Jerez aus eigener Schuld. Dass der Spanier es mit seiner Verletzung zu früh wieder probierte und dafür bis heute büssen muss, liegt ebenfalls vollkommen in seiner eigenen Verantwortung. Wer sich daher in der Corona-Saison den MotoGP WM-Titel holt, hat sich diesen auch zu 100 Prozent verdient. Sollte es Fabio Quartararo schaffen, wäre er der erste Franzose überhaupt, dem dies gelingt. Bestimmt nicht nur seine Landsleute würden sich in diesem Fall mit ihm freuen. Ähnliches gilt bei Andrea Dovizioso, der nach Marquez in den letzten 3 Jahren mit drei Vizetiteln beste Fahrer der Königsklasse. Auch der Italiener hätte sich nach dem 125-er Weltmeister-Titel von 2004 auf Honda seinen ersten in der MotoGP mehr als verdient. Die WM ist dieses Jahr jedoch so offen wie seit sehr langer Zeit nicht mehr. Genau dies macht es auch so spannend und daher erübrigen sich Fragen zum Wert von Titeln oder zur ausreichenden Anzahl von WM-Läufen völlig. Im Gegenteil, freuen wir uns doch lieber alle, dass die Saison trotz aller Widrigkeiten durch die Corona-Pandemie überhaupt durchgeführt wird!

Andrea Dovizioso (Ducati, links im Bild vor dem Start in Spielberg) kehr nach dieser Saison seinem Arbeitgeber den Rücken zu. Durch den Rücktritt von Valentino Rossi wird für dessen Landsmann nun der Platz bei Petronas Yamaha SRT an der Seite von Franco Morbidelli frei (© MotoGP).

Zwischenstand in der MotoGP Weltmeisterschaft vor Misano

Die ersten 9 Fahrer liegen nach dem ersten WM-Drittel innerhalb von 27 Punkten. So spannend war die Ausgangslage in der MotoGP seit ewigen Zeiten nicht mehr. Mit Sicherheit werden sich auch die Kräfteverhältnisse gegenüber Brünn und Spielberg in Misano wieder sehr stark verschieben. Es ist auch kaum davon auszugehen, dass man an der Adria ab dem ersten von 2 Rennen noch etwas von der viel besungenen „Yamaha Krise“ hören dürfte. Übrigens ist auch die sogenannte Honda-Krise und angebliche Performance Probleme der aktuellen RC213V ein Hirngespinst. Es fehlt in Abwesenheit von Marc Marquez einzig an der Performance der Fahrer. Dies hatten wir übrigens vor knapp einem Jahr bereits vorausgesagt, zumindest was dessen Bruder Alex und seine Leistungsfähigkeit als Rookie betrifft. Mit dem Sturz und der Verletzung des mehrfachen Weltmeisters war jedenfalls nach unzähligen glücklich überstandenen Crashes zu rechnen.

Der kombinierte Kalender von MotoGP und WorldSBK