Michael Ruben Rinaldi (Aruba.it Ducati) begann die Saison 2023 sehr stark und holte sich in Australien beim Saisonauftakt im Sprint und letzten Lauf hinter Teamkollege Bautista zwei zweite Plätze. Danach begann der drei Tage vor Heiligabend 1995 in Rimini geborene Italiener jedoch Fehler an Fehler zu reihen und aus einer erhofft starken Saison wurde am Ende nur WM-Rang 5, noch hinter Landsmann Andre Locatelli (Yamaha). Aus diesem Grund verlor der Italiener seinen Platz im Werksteam von Ducati an WSSP Weltmeister Niccolo Bulega und muss jetzt anstelle von Axel Bassani, der ins Kawasaki Werksteam berufen wurde, auf einer privaten Ducati für 2024 sein Glück versuchen.

Dunkle Schatten über der langweiligsten Saison der WorldSBK

Die Kommentatoren der Superbike Weltmeisterschaft hatten es nach 2022 auch im Folgejahr sehr schwer, so etwas wie Spannung herbeizureden. Von Beginn an waren bereits beim Saisonauftakt in Phillip Island (Australien) die Ducati Piloten der Konkurrenz haushoch überlegen, dass sogar die Werksfahrer gegen die privaten Panigale V4R mit dem Messer zwischen den Zähnen kämpfen musste. Zum zweiten Mal in Folge und so in der WSBK noch nie erlebt, konnte mit Alvaro Bautista ein Ducati Werkspilot Rennen um Rennen gewinnen, ohne in der Regel allzu hohe Risiken eingehen zu müssen. Mangels wie in der WorldSSP schon länger existierend, einer längst überfälligen Einführung eines Minimalgewichts für Maschine und Fahrer samt Ausrüstung, war der kleine Mann aus Talavera de la Reina meist so gut wie unschlagbar. Mit seiner MotoGP Replica, die rein für die Rennstrecke konzipiert wurde, konnte er ohne auch nur Windschatten zu benötigen, auf den Geraden oft mehrere Fahrer miteinander spielerisch leicht überholen. Durch seine gravierenden Vorteile beim Leistungsgewicht holte er auf längeren Geraden in der Regel infolge besserer Beschleunigung und höherem Topspeed locker eine halbe Sekunde pro Runde auf seine Gegner heraus. Aus diesem Grund gewann er seinen zweiten mit beinahe spielerischer Leichtigkeit und Verlierer waren am Ende damit vor allem der Sport und die Mehrheit der Fans, sowie dazu alle Gegnerteams.

Unsere Statistik der einseitigsten WorldSBK Saison in deren 36. Saison seit ihrer Einführung. Von insgesamt nur 4 unterschiedlichen Siegern saßen zwei auf einer Ducati und der glanzlose Weltmeister gewann dank der Überlegenheit seines Materials fast nach belieben. Weil praktisch alle Medien die Siege im Sprintrennen (trotz nur halbierter Punktezahl) im Gegensatz zur MotoGP ganz einfach als voll mitrechnen, wirkt die Zahl von 27 Laufsiegen und dabei 6 von 12 Runden bei allen Rennen gigantisch. Von Spannung oder sportlichem Wert kann man jedoch vor diesem Hintergrund leider nicht sprechen.
„Magic“ Michael van der Mark (BMW M1000-RR) war unbestritten der Pechvogel der WorldSBK Saison 2023. Das Jahr begann für ihn mit einem Sturz beim ersten Lauf und am Ende des Jahres sollte er bei 17 von 36 Rennen die Zielflagge nicht sehen, auch weil er infolge schwerer Verletzungen ganze zehn Mal gar nicht erst am Start stand. Für kommendes Jahr wechselt das BMW Werksteam seinen Mannschaftskollegen aus und ersetzt Scott Redding durch Toprak Razgatlioglu.

Fragwürdige FIM-Entscheidungen sorgten für Kopfschütteln

In der WorldSBK wurde mit einer einseitig ausgelegten Interpretation der Reglemente durch die FIM Kommmissare der Weg zu zwei Titeln von Bautista in Folge ermöglicht. Die Konkurrenz war eigentlich bei den meisten Rennen bereits vor dem Start bereits chancenlos. Wer diese Worte bezweifelt, soll sich das zweite Rennen am Sonntag auf dem Autodromo do Algarve bei Portimão 2023 getrost nochmals zu Gemüte führen. Obwohl Yamaha Ass Toprak Raztaglioglu seinen Gegner Bautista im kurvigen Teil der Strecke wiederholt wahrhaft demütigte und immer wieder überholte, gewann der spanische Winzling im Finish dank besserer Beschleunigung und überlegenem Topspeed seiner Ducati völlig problemlos. Zudem wurde Bautista genauso wie MotoGP Ducati Werkspilot Bagnaia von den FIM Kommissaren gleich mehrfach für ihre Verletzung der Reglemente im Gegensatz zu ihren Gegnern nicht bestraft. Der absolut krasseste Fall passierte in der WSBK war in Magny-Cours bei Alvaro Bautista.

Toprak Razgatlioglu in der Pata Yamaha Box – ein Bild was es nach November 2023 so vermutlich nie mehr geben wird. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trennten sich der Türke und sein Mentor Kenan Sofuoglu vom Yamaha Werksteam wie zuvor von Kasasaki Pucetti im Unfrieden. Aus diesem Grund wurde es ihm auch verboten, mit BMW bereits im vorletzten Monat des Jahres testen zu dürfen. Aufgrund der Wetter-Bedingungen im Dezember wird Toprak damit vor Saisonauftakt im Februar 2024 wichtige Testzeit fehlen.

Skandalöse Fehlentscheidung der FIM Kommissare im 26. Lauf der Saison

Der Spanier hatte seinen Teamkollegen Rinaldi im Sprintrennen in Kurve 5 zu Sturz gebracht und führte danach sein Rennen einfach weiter, ohne von den FIM Kommissaren für seine Aktion bestraft zu werden. Wie in der MotoGP im Fall von Marc Marquez oder Ducati Werkspiloten oft beobachtet, wurde von den FIM Kommissaren dabei einfach ein Auge zugedrückt, was viele Beobachter als traurigen Skandal in die Geschichte des Motorradrennsports wahrnahmen. Besonders stoßend dabei ist vor allem, wie auffällig in beiden Weltmeisterschaften Ducati Werksfahrer immer wieder vor Strafen verschont blieben. Im Fall von Magny-Cours und dem von Bautista verschuldeten Crash von Rinaldi musste dieser danach sogar ins Medical Center verfrachtet und dort behandelt werden. Viele Zuschauer trauten danach ihren Augen kaum, als sie zusehen konnten, wie Alvaro auf Rang 2 abgewunken wurde und völlig unbestraft blieb.

Die haarige Situation in Runde 5 bei der Anfahrt der fünften Kurve in Magny-Cours, als Alvaro Bautista sich verbremste und hinten auf Rinaldi prallt, der sich vor einem üblen Crash dabei nicht mehr retten kann. Trotz Verletzung des Italieners durch diese Kollision wurde der Spanier danach für sein Foul nicht bestraft. Auf der anderen Seite erhielt Scott Redding einen Long Lap Penalti von den FIM Stewards, weil er zuvor seinen BMW Kollegen Garrett Gerloff touchiert und zu Sturz gebracht hatte, wobei auch der Engländer im Gegensatz zu Bautista etwas später gestürzt war.

Ein Vergleich mit 4 Jahren davor – mit zwei späteren Teamkollegen

Viele fühlten sich dabei an Jerez 2019 erinnert, als Jonathan Rea in der Zielkurve im ersten Lauf nach einem riskanten Überholmanöver Alex Lowes touchierte und dieser danach zu Sturz kam. Obwohl der Engländer später zu Protokoll gab, er sehe dies als normalen Rennunfall und Rea gebe er dabei keine Schuld, entschieden die FIM Verantwortlichen anders. Obwohl Lowes nach dem Crash wieder aufstand und das Rennen fortsetzte, wurde der damals bereits 4-fache Weltmeister bestraft. Alex sah zwar die Zielflagge als sechzehnter und Jonathan Rea wurde zuerst noch als dritter auf dem Podium und danach an der Paddock Show gefeiert. Aber am Abend erfuhr die Öffentlichkeit, dass der Kawasaki Pilot nicht nur Rang 3 an den vierten Marco Melandri verlor, sondern auch noch eine empfindliche Startstrafe für das Sprintrennen am Folgetag erhielt. Ausgerechnet bei Bautistas Heimrennen in Jerez de la Frontera musste Rea dadurch ganz am Ende des Feldes losfahren. Der Nord-Ire schaffte es trotzdem innert 10 Runden noch auf Position 4 und sicherte sich damit eine Startposition in Reihe zwei. Im folgenden zweiten Rennen am Sonntag stürzte Bautista ungefährdet in Führung liegend und Rea wurde hinter Van der Mark zweiter. Es war der Beginn einer Wende im Titelkampf und nach zahlreichen Fehlern sollte Bautista seinen schon sicher geglaubten ersten Titel für Ducati doch noch an Rea auf Kawasaki verlieren.

Unsere Aufnahme von der Paddock Show nach dem ersten Rennen in Jerez, mit von links Sieger Bautista (Ducati), Toprak (P2, Yamaha), dem eigentlich drittplatzierten Jonathan Rea (Kawasaki) und Marco Melandri (Yamaha) als bestem Privatfahrer auf Rang 4. Erst nach der Ehrung erbte der kleine Italiener die Platzierung des Nord-Iren und wurde als dritter gewertet. Schlimmer als P4 war für Rea danach jedoch die Bestrafung, mit welcher er als Polesitter auf den letzten Startplatz für das Sprintrennen versetzt wurde, womit er jede Chance auf den Sieg verlor. Der sportliche Gedanke wird von der FIM seit Jahrzehnten mit Füßen getreten.
Titelbild einer spanischen Zeitung nach dem Sieg von Bautista am Samstag im ersten Lauf – ihn als König von Jerez zu bezeichnen, war dabei definitiv zu verfrüht. Am nächsten Tag gewann er zwar noch morgens das Sprintrennen, aber im zweiten Lauf stürzte er aus eigener Schuld und Gesamtsieger des Wochenendes wurde damit „Magic“ Michael van der Mark auf Pata Yamaha. Demnach war nun ein Niederländer König von Jerez de la Frontera.

Bautista und sein MotoGP Gaststart 2023 – eine Lachnummer

Was passiert, wenn der kleine Spanier um jedes Hundertstel einer Sekunde kämpfen muss, konnte man bei seinem Gaststart in Sepang (Malaysia) hingegen im selben Jahr in der MotoGP beobachten. Besonders seine Darbietung am Samstag, dem 11. November 2023 im Sprintrennen war schlicht peinlich. Während sein Landsmann Alex Marquez auf demselben Motorrad dieses Rennen über 10 Runden gewann, sah Bautista die Zielflagge erst 36,5 Sekunden später. Dies bedeutete, dass der Superbike Weltmeister von 2022 und 2023 pro Runde mehr als 3,6 Sekunden auf den schnellsten Piloten des Tissot Sprintrace verlor. Dabei erinnerten sich viele sofort an die Saison 2006 beim Finale in Valencia, mit einer ganz ähnlichen Ausgangslage für den frisch gebackenen dreifachen WSBK Weltmeister Troy Bayliss. Der Australier war, genauso wie der spanische Winzling 17 Jahre später, mit der MotoGP Ducati früherer Jahre schon recht gut vertraut. Wie Bautista durfte er bestimmt davor auch noch für Tests auf der aktuellen Maschine üben. Was er danach beim Saisonfinale in Spanien daraus machte, ging als Heldentat in die Geschichte ein.

Ein Siegerfoto nach dem Grand Prix de la Communitat Valenciana, mit von links Ducati Werkspilot Loris Capirossi, der unvergessene Weltmeister Nicki Hayden (Honda, gestorben am 22. Mai 2017 nach einem fürchterlichen Verkehrsunfall in Cesena, nahe Misano) und Wildcard Pilot Troy Bayliss. Letzterer trug sich dank seinem Parforceritt beim Saisonfinale in die Geschichtsbücher der Zweiradrennsports ein. Noch nie hatte vor dem Australier ein Superbike Weltmeister einen MotoGP Grand Prix Sieg erringen können (© MotoGP).

Der Vergleich mit einem anderen WSBK Weltmeister 2006

Damals gewann die WSBK Ikone Troy Bayliss als frisch gebackener Champion ebenfalls auf einer Ducati das Rennen mit einem lupenreinen Start-Ziel-Sieg. Wie der Australier hatte auch Bautista davor auf einer Ducati schon viel MotoGP Erfahrung gesammelt. Damit gab er sich in Sepang nicht nur der Lächerlichkeit preis, sondern demonstrierte dabei auch eindrücklich, weshalb er die Superbike Weltmeisterschaft zwei Jahre in Folge ungefährdet zu gewinnen vermochte. Es lag einzig am Material. Mit seinem Gewichtsvorteil und die infolge der fragwürdiger Reglements-Auslegung durch die FIM und Dorna haushoch überlegenen MotoGP Replica Panigale V4R gewann er die Mehrheit seiner Rennen vor allem dank seines überlegenen Topspeeds und exorbitant besserer Beschleunigung gegenüber der Konkurrenz. Ausgerechnet Alvaros Bezwinger des Jahres 2019 im Titelkampf machte 2012 auf Honda ebenfalls vor, wie man sich im Rahmen von Gaststarts hervorragend in Szene setzen kann. Seine Fans ärgerten sich später wohl noch jahrelang darüber, dass Kawasaki sich viel zu früh aus der Königsklasse des Straßenrennsports zurückgezogen hatte.

Jonathan Rea auf Repsol Honda in Aragon – dies ist keine Fotomontage, sondern eine Aufnahme des später sechsfachen WorldSBK Rekord-Weltmeisters bei einem seiner zwei Gastspiele in der MotoGP 2012. Anstelle des damals verletzten Werkspiloten Casey Stoner trat der Nord-Ire für die 13. und 14. Runde in Misano und Aragon an. Ohne MotoGP-Erfahrung, Vorbereitung und Tests schaffte Rea es im Rennen sensationell auf die Ränge 8 und 7. Davon konnte Bautista 11 Jahre später nur träumen, als er sich trotz 9 Jahren Erfahrung in der MotoGP, davon die letzten beiden auf Ducati, in Sepang 2023 bis auf die Knochen blamierte und in beiden Läufen pro Runde eine halbe Welt auf die schnellsten verlor (© MotoGP).

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).