Vor der Rückkehr zur Solitude in der zweiten Saisonhälfte
Nach dem Debakel am Schottenring im Vorjahr kam nun wieder die frisch asphaltierte Strecke westlich von Stuttgart zum Zug. An der Solitude waren 1952 über 400-tausend Zuschauer anwesend, als es zum ersten Mal einheimische Teams in einem Motorrad-Weltmeisterschaftslauf im eigenen Land anzufeuern gab. Die unzähligen deutschen Besucher wurden damals nicht enttäuscht und die als krasse Außenseiter geltenden Piloten und ihre Bikes wuchsen über sich hinaus und holten in sämtlichen Kategorien Punkte, dazu bis 125 und 250 cm³ sogar Siege. Nur zwei Jahre danach waren sie bereits die Favoriten, zumindest in den kleineren beiden Klassen. NSU war auf dem Gipfel des Erfolgs angekommen und meldete kurz vor dem Grand Prix von Deutschland neue Rekordzahlen von ihrer Motorrad-Produktion, mit im ersten Halb-Jahr 86.985 Maschinen und der Aussicht auf 170-tausend bis Ende 1954. Vor diesem Hintergrund wäre wohl kaum jemand auf die Idee gekommen, dass sich NSU schon bald aus dem Rennsport werksseitig zurückziehen würde.
Vorgezogene Titelentscheidung in der 125-er Klasse
Nach der Verteidigung seines 250 cm³ Weltmeister-Titels von Werner Haas schlug nun die grosse Stunde für seinen Nachfolger in der kleinsten Kategorie. Vermutlich reisten viele seiner Landsleute aus Österreich an, um auf der Solitude westlich von Stuttgart ihren neuen Nationalhelden zu bejubeln. Rupert Hollaus enttäuschte sie nicht und ging vom Start weg in Führung. Wie so oft war Lokalmatador Werner Haas sein schärfster Konkurrent, aber dass der Schwabe seinen NSU Teamkollegen angreifen würde, war diesmal eher unwahrscheinlich. Dafür hielt er den Italiener Ubbiali auf MV in Schach, welcher jedoch vor dem Grand Prix von Deutschland bereits 14 Punkte Rückstand im Zwischenklassement auf das NSU Ass und Leader Hollaus hatte.
Ein schneller NSU Mann fehlte am Start
Auf Baltisbergers Unterstützung musste NSU leider verzichten, weil dieser im Training schwer gestürzt war und sich nebst einer Gehirnerschütterung auch Knöchel- und Schulterblatt-Bruch zugezogen hatte. MV-Werksfahrer Copeta stürzte in der Glemseck-Kurve und der Favorit setzte sich Runde für Runde von seinen Verfolgern ab und gewann überlegen vor Haas und Ubbiali. Altmeister H.P. Müller hatte sich nach schlechtem Start nach vorne gearbeitet und konnte somit MV Pilot Sandford noch abfangen, hinter welchem Karl Lottes auf seiner privaten MV den hervorragenden sechsten Rang holte. Übrigens war auf Platz 8 mit Horst Fügner aus der DDR auf einer IFA (später MZ, basierend auf der DKW der 1930-er Jahre) abgewunken worden. Von ihm als Sieger des im selben Jahr ausgetragenen Feldberg-Rennens sollte man in der Weltmeisterschaft bald noch einiges zu sehen bekommen.
Der 250 cm³ Grand Prix von Deutschland
Laut dem Veranstalter waren mindestens 435-tausend Zuschauer an der Strecke, wenn nicht sogar mehr, von welchen es einige womöglich auf Schleichwegen schafften. Für den mittlerweile als Nationalhelden gefeierten Werner Haas galt es, hier den Hattrick zu schaffen. Nach 1951 überraschend bis 125 cm³ (er war als Ersatzfahrer für die im Training verletzten Werkspiloten ins Werksteam geholt worden) und bei den 250-ern im Jahr danach, konnte er hier das Triple holen. Natürlich wollte der bereits nach dem GP der Niederlande als zweifacher Weltmeister bis 250 cm³ in seine Heimat zurückgekehrte Mann aus Augsburg auch die imposante Fangemeinde an der Strecke damit nicht enttäuschen. Nach dem Start führte kurz noch Hallmeier auf der Werks-Adler, aber Haas setzte sich nach wenigen Kilometern an die Spitze, gefolgt von den NSU-Teamkollegen Hollaus und Müller, der jedoch seine Verschalung wenig später verlor. Dass Moto-Guzzi auf den Start verzichtet hatte, liess höchstens den Verdacht aufkommen, sie seien schlechte Verlierer. Gestört hatte dies laut Augenzeugenberichten jedoch niemanden. Am Ende gewann Haas wie von den meisten ersehnt, knapp vor Hollaus und Hallmeier holte sich mit deutlichem Respekt-Abstand Rang 3. Dies war für seinen Hersteller Adler natürlich ein historischer Moment, der durch P6 von Walter Vogel hinter Wheeler (Guzzi) und Reichert (NSU) dazu noch abgerundet wurde.
Das Rennen der 350-er mit britischer Dominanz
Nachdem im Vorjahr Moto-Guzzi mit Anderson und Lorenzetti noch fast nach Belieben dominiert hatte, waren die Engländer von AJS mit modifiziertem Parallel-Twin und Norton dank dem Fahrkönnen von Ray Amm diese Saison deutlich konkurrenzfähiger aufgetreten, als noch 1953. Im Zwischenklassement führte vor diesem Rennen Anderson mit 14 Punkten vor AJS Aushängeschild Coleman (12), Lorenzetti (9) und nebst Amm einer Reihe weiterer Piloten mit je 8 Zählern. Der amtierende Weltmeister Fergus Anderson war es auch, welcher nach dem Start zur 350 cm³ Klasse vor Amm, Mc Intyre, Brett und Kavanagh als Führender aus der ersten Runde kam. In einem abwechslungsreichen Rennen arbeitete sich Lorenzetti nach vorne und Kavanagh übernahm sogar die Spitze, bevor er in Runde 7 plötzlich anhielt und skeptisch auf den Motor seiner Guzzi schaute. Der Australier fuhr zwar danach aber weiter bis er wieder auf P2 hinter Anderson ankam. Ray Amm verlor den Anschluss an die Führenden durch einen Sturz mit seiner Norton und Lorenzetti musste seine Guzzi mit einem Motorschaden abstellen. In der zehnten Runde passierte seinen beiden bis dahin in Führung liegenden Werksteamkollegen dasselbe und sowohl für Anderson wie auch Kavanagh kam das Aus. Damit siegte Amm trotz vorherigen Sturz und dank seiner Beständigkeit holte am Ende Georg Braun auf der Horex noch den letzten Punkt mit Rang 6.
Tragisches Finale in der Königsklasse auf der Solitude
In den ersten beiden Runden hatte noch Norton Ass Ray Amm die Nase vorn gehabt, bevor Geoff Duke auf seiner schnelleren 4-Zylinder Gilera ernst machte. Der Rhodesier kam sieben Umgänge später zwar nochmals kurz an ihm vorbei, aber Geoffrey antwortete sogleich und zeigte damit sofort wieder, wer hier der Chef im Ring war. Auf Position 3 hatte sich mittlerweile der Ire Armstrong auf der weiteren Werks-Gilera eingenistet, der bereits in Runde 4 an Anderson (Guzzi) vorbeigegangen war. Auch dessen schneller Werksteam-Kollege Kavanagh aus Australien schnappte sich den Engländer noch. Der Deutsche Zeller auf BMW trat trotz Fußverletzung an, fiel jedoch in Runde 1 bereits aus. Am Ende triumphierte Duke mit dem bereits dritten Sieg in Folge vor Amm, Armstrong, Kavanagh, Anderson und Brett. Doch die Resultate wurden kurz nach den Zieleinläufen der schnellsten letztlich ein gutes Stück weit zur Nebensache. Der tragische Abschluss eines eigentlich tollen Rennwochenendes auf der Solitude wurde vom tödlichen Unfall von Dennis Lashmar überschattet. Nachfolgend die Zusammenfassung über den Mann, der in der letzten Runde nur wenige Meter vor dem Ziel die letzte Kurve nicht überlebte.
Zum Gedenken an Dennis Lashmar:
Sein erstes Rennen fuhr er laut von uns gefundener Quelle im Oktober 1948 in Dunholme für den BMCRC Hutchinson 100. Dabei versuchte Dennis wohl etwas zu energisch, Harrold Daniell auf dessen Lancefield Norton zu jagen, worauf er mit 80 km/h in einem Feld landete. Lashmar konnte das Rennen aber fortsetzen und belegte am Ende Rang 15. Er lebte damals in Stanmore, in der Nähe des Motorradgeschäfts von Rex Judd, wo er ein guter Freund von Stan Pike wurde, der die Serviceabteilung leitete. Stan fuhr damals Rudge Maschinen. Ein weiterer Mitarbeiter im Geschäft von Judd half Stan Pike dabei, eine Vincent für Dennis vorzubereiten. Dennis Lashmar war danach der erste von Gus Kuhn Motors gesponserte Fahrer. Das Unternehmen hatte eine Manx Norton erhalten, welche Dennis an der Senior TT von 1952 auf den 30. Platz brachte. Im Jahr 1951 nahm er an drei TT-Wettbewerben teil. Sein bestes Ergebnis war dabei Rang 13 in der Kategorie Senior mit Harold Daniells Norton. Im Jahr 1954 wurde er von Geoff Duke sowohl im Junior- als auch im Senior-Rennen auf Pike-BSAs eingesetzt. Danach schaffte er es auf einer BSA beim GP von Belgien mit P10 in die Top 10. Leider erreichte der Engländer am 25. Juli 1954 auf der Solitude bei Stuttgart am 500-er Grand Prix von Deutschland die Zielflagge nicht mehr. Er starb im jungen Alter von erst 27 Jahren.
Verregnetes 250-er Rennen in Bremgarten
Nach 5 Siegen in Folge war für Werner Haas das Regenrennen beim Grand Prix der Schweiz schon früh zu Ende, als er es in der ersten Runde zu fest übertrieb und dabei abflog. Zum Glück blieb aber der Deutsche dabei unverletzt, doch seine NSU war zu beschädigt, um danach noch weiterzufahren. Nun kam die große Stunde für Werksteam-Kollege Hollaus, der dem Rest des Feldes unwiderstehlich davonfuhr. Es war für die Zuschauer und Experten beeindruckend zu sehen, wie präzise der Österreicher dabei fuhr und dabei jede Kurve sehr präzise anfuhr und beendete, ohne wie viele andere mehrmals ansetzen zu müssen. Einzig der deutsche Braun auf einer Vorjahres Werks-NSU Rennfox vermochte Hollaus halbwegs zu folgen. Sämtliche anderen Piloten wurden von ihm auf dem Höhepunkt seiner Karriere überrundet. Niemand konnte damals ahnen, dass es der letzte Grand Prix Sieg von Rupert werden sollte. Hinter Routinier H. P. Müller holte der junge Luigi Taveri seine ersten 250 cm³ Punkte, nachdem er bereits in Reims beim Saisonauftakt bei den 500-ern ebenfalls vierter geworden war. Sein Guzzi-Markenkollege Colombo wurde fünfter vor Walter Vogel mit einem weiteren WM-Punkt für Adler.
Die mittlere Klasse in Bremgarten
Nach seinem Ausfall auf der Solitude hoffte der amtierende Weltmeister Anderson, dass seine Guzzi ihn diesmal nicht im Stich lassen würde. Nach dem Start war er jedoch hinter Moto-Guzzi Werksfahrer Ken Kavanagh und Ray Amm auf der schnellsten Norton nur dritter. Die MV Leute Dale, Lomas und Bandirola fehlten gänzlich, während Andreson in der zehnten von 21 Runden zum Angriff blies. Als erstes Opfer schnappte er sich Amm, um danach Teamkollege Kavanagh zu bedrängen. In Runde 18 zeigte Fergus diesem das erste Mal sein Hinterrad, aber Ken schlug zurück und ging eine Runde später wieder an ihm vorbei. Aber der Australier konnte sich nicht durchsetzen und zwei Umgänge vor Schluss übernahm wieder Anderson die Führung und gab diese bis ins Ziel nicht mehr ab. Hinter Kavanagh und Amm erreichten Brett, Coleman und Mc Intyre die Punkteränge und im Zwischenklassement blieb es weiterhin spannend. Nun führte wieder Anderson mit 22 Punkten vor Amm und Coleman (je 20), Kavanagh (14), Brett (13), dahinter Simpson und Mc Intyre mit 9 Züählern. Der deutsche Horex Pilot Braun hatte nach Rang 2 auf NSU bei den 250-ern wenig Glück. Im Training auf seiner Horex immerhin fünft-schnellster, fiel er damit bereits nach wenigen Kilometern mit Ventilschaden am Zylinderkopf aus.
Grand Prix der Schweiz bis 500 cm³
Im Prinzip grenzte es auch in den Augen vieler Berichterstatter von damals an Wahnsinn, mit welchen horrenden Geschwindigkeiten von weit über 200 km/h die Werksfahrer damals meist auf Straßenkursen um die Wette fuhren. Im Gegensatz zum nächsten Jahrtausend gab es auf den Rennstrecken so gut wie keine Sturzzonen und die Reifen waren wie auch das Fahrwerk, bei den schnellsten Motorrädern restlos überfordert. Dazu verdiente die sogenannte Sicherheitsausrüstung wie Sturzhelme und Lederkombis ihren Namen zu dieser Zeit nur begrenzt. Vor diesem Hintergrund hatten die Piloten von damals im Fall von Stürzen stets den Tod vor Augen. Wie bei den 350-ern schoss zu Beginn Ken Kavanagh auf der Guzzi in Führung. Duke folgte hinter Anderson und Amm erst auf Position 4 mit deutlichem Rückstand, verfolgt von seinem Gilera Werksteam-Kollegen Armstrong. Bereits in Runde zwei musste Anderson aufgeben, die Moto-Guzzi galt in allen Klassen nicht als Muster der Beständigkeit. Derweil baute Kavanagh seinen Vorsprung auf die Verfolger weiter aus, gefolgt von Amm und Duke. Letzterer absolvierte unbeirrt davon mit einigem Rückstand seine Runden, bis auch der an der Spitze liegende Australier in Runde 10 mit seiner immer unruhiger laufenden Guzzi wenig später ebenfalls ausfiel. Angeblich warf ihn ein Vergaserschaden aus dem Rennen, so zumindest die offizielle Version. Der danach führende Ray Amm geriet mittlerweile immer stärker von Geoff Duke in Bedrängnis. Vier Runden vor Schluss ging das Gilera Ass am Rhodesier vorbei und dieser sah ab dann nur noch dessen Hinterrad.
Die Bilanz nach 7 von 9 Runden in der Weltmeisterschaft
Während die Titel in den beiden kleineren Kategorien bereits früh feststanden, war nun auch in der 500-er Klasse die Entscheidung gefallen. Geoff Duke war in der Königsklasse nach seinem Ausfall in Reims und Rang 2 an der TT überragend gewesen, hatte er nun 4 Rennen in Folge gewonnen. Der Engländer führte damit bereits 38 Punkten vor Amm (20) als letztem Widersacher. Der Käse war deshalb gebissen und auch theoretisch war dem besten Piloten seiner Zeit zwei Runden vor Schluss der fünfte Weltmeistertitel nicht mehr zu nehmen. Nur bei der 350-er Klasse war lediglich eine Vorentscheidung gefallen. Fergus Anderson hatte seine Titelverteidigung noch nicht auf sicher. Mit 22 Punkten führte der Schotte vor den letzten 2 Runden nur zwei Zahler vor Ray Amm und dem punktgleichen Rod Coleman, dahinter Ken Kavanagh (14), Jack Brett (13) und mit nur 9 bereits weit abgeschlagen Enrico Lorenzetti als bestem Italiener. Damit war klar, dass nach Umberto Masetti 1950 und 1952 kein Pilot aus dem Land mit der Form eines Stiefels den Titel in der Königsklasse zurückholen würde. In Bern sprachen nach der Tourist Trophy somit erneut sämtliche Fahrer der beiden größten Klassen englisch.
Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© MotoGP).
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