Andrea Locatelli (Yamaha R1) vor der Box des Circuit de Cataluña nahe Barcelona – dank des durch seinen Teamkollegen mit verursachten Sturzes von Rekordweltmeister Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) erbte der Italiener im Sprintrennen vom Sonntagmorgen Platz 3 und holte damit sein zweites Podium der Saison.

Kaum Spannung auch am zweiten Renntag der WorldSBK in Katalonien

Nach der Solo-Vorstellung von Alvaro Bautista ging es auch am Sonntagmorgen im Tissot-Sprintrace munter so weiter. Für Spannung sorgte wie am Samstag nur das Geschehen hinter dem sofort nach dem Start einsam an der Spitze seine Runden drehenden Spanier. Obwohl dahinter Toprak Razgatlioglu auf seiner Yamaha wie um sein Leben fuhr, hatte der Türke nie den Hauch einer Chance, den Ducati Piloten ernsthaft zu gefährden. Dieser holte aufgrund seines aus Sicht vieler Beobachter in eine andere Kategorie gehörenden Motorrades allein auf den Geraden jedesmal einen Vorsprung von mehreren Zehnteln auf seine Verfolger heraus. Eigentlich der beste Beleg, wie wirkungslos immer noch die viel zu spät von der FIM verhängte Reduktion der Maximaldrehzahl von Alvaros Ducati um lächerliche 250 U/Min ist. Siehe dazu auf unserer Seite auch den Artikel „Eine Alibi Übung“. Ohne dabei viel Risiko eingehen zu müssen, gewann der kleine Mann aus Talavera de la Reina locker und baute so weiter seinen Vorsprung in der Weltmeisterschaft aus.

Alex Lowes (Kawasaki ZX-10RR mit der Nr. 22) hinter Iker Lecuona (Honda CBR1000 RR-R) – nach seinem Sturz in Kurve 7 am Samstag zeigte Johnny Reas Teamkollege ein starkes Rennen. Das Podium verpasste der Engländer im Sprintrennen vom Sonntagmorgen am Ende denkbar knapp.

Facts zum Sprintrennen – Rea mit durch Toprak mitverschuldetem Sturz

Bei Betrachtung der Szenen in der letzten Runde des Tissot-Sprintrace fühlte man sich wieder an die Vorfälle beim zweiten Lauf in Assen aus dem Vorjahr erinnert. Damals brachte Toprak durch eine von ihm verschuldete Kollision mit dem Rekordweltmeister diesen und auch sich selbst zu Sturz. Exakt wie 2022 fuhr der Türke auch diesmal dem Nord-Iren in die Ideallinie, womit Rea auf durch erste Regentropfen angefeuchteter weißer Linie Kurve 1 anbremsen musste, wodurch ihm das Vorderrad wegrutschte. Davor war der Kawasaki Pilot auf Position 2 hinter Bautista gelegen, nachdem er zwischenzeitlich von Rinaldi und Razgatlioglu auf P4 verdrängt worden war. Beinahe hätte Reas Teamkollege Alex Lowes sich noch den dadurch frei gewordenen dritten Rang geholt, aber in Kurve 10 wurde der Engländer noch von Locatelli und Lecuona überholt und dadurch auf Position 5 verdrängt. Alvaros anfänglich auf P2 liegender Aruba.it Ducati Teamkollege Michael Ruben Rinaldi ging es jedoch noch schlechter. Der Italiener wurde in den letzten Runden bei leichtem Regen im westlichen Teil der Strecke noch bis auf Rang 8 durchgereicht. Nachfolgend die Rangliste des dramatisch verlaufenen Sprintrennens.

Der zweite Lauf der WSBK am Sonntag

Wie üblich hatte der mit deutlichen Vorteilen in Beschleunigung und Topspeed begünstigte WM-Leader erneut leichtes Spiel. Bautista zog erneut früh davon und diesmal unterstrich auch Michael Ruben Rinaldi die Tatsache, dass die Werksducatis in einer eigenen Liga antreten. Bereits kurz vor Rennmitte hatte der drittplatzierte Toprak Razgatlioglu auf der Yamaha über 5 Sekunden Rückstand auf den Leader auf seiner Ducati Panigale V4R. Dahinter folgten Alex Lowes (Kawasaki), Andrea Locatelli (Yamaha), Johnny Rea auf der zweiten Werkskawasaki und dahinter die beiden Honda Werksfahrer Xavi Vierge und Iker Lecuona. Tom Sykes Trauerspiel endete mit der Puccetti Kawasaki diesmal im Kiesbett, statt weit abgeschlagen außerhalb der Punkteränge. Offen gesagt hatte das Geschehen an der Spitze mit spannendem Rennsport nichts zu tun. Neun Runden vor Schluss lag Toprak bereits über siebeneinhalb Sekunden hinter Alvaro, womit dieser innert zwei Umgängen dem nächstfolgenden Konkurrenten auf einem Fremdfabrikat mehr als eine Sekunde pro Runde abgenommen hatte.

Jonathan Rea (Kawasaki ZX-10RR) stand trotz guter Leistungen auch in Barcelona wie zuvor befürchtet auf verlorenem Posten. Einem dritten Rang am Samstag folgte das Desaster mit einem Sturz im Sprintrennen und aufgrund der suboptimalen Startposition in Lauf 2 nur Rang 5. Aber selbst sein Erzrivale Razgatlioglu ist vom Kampf um den Titel zu weit entfernt. Die Eintönigkeit nimmt der seriennahen Weltmeisterschaft derzeit leider jegliche Würze. Höchstens in der übernächsten Runde in Imola könnte Bautista um den Sieg kämpfen müssen, während Misano erneut fest in Ducati-Hand sein dürfte.

Die Tops und Flops des langweiligen letzten Rennens
Nicht zum ersten Mal war nebst dem ehemaligen BMW Werksfahrer Tom Sykes sein Nachfolger Scott Redding eines der frühen Opfer von Problemen mit seiner M-1000RR. Nach P12 im Sprintrennen folgte mit einem Ausfall an der Box die Krönung eines erfolglosen Wochenendes für den WM-Zweiten von 2020 (damals noch auf Ducati). Mittlerweile liegt der Engländer bereits hinter Bonovo Action Privatpilot Garrett Gerloff, welcher nach P10 im zweiten Lauf auf dem vierzehnten Zwischenrang derzeit bester Mann auf der BMW ist. Toprak konnte Rinaldi kurz vor dem Ziel noch abfangen, doch sein zweiter Platz hat einen üblen Nachgeschmack. Einerseits wurde er für sein unfaires Manöver beim Überholvorgang gegen den von ihm vor Kurve 1 auf die Seitenlinie abgedrängten Rea (welcher den Sturz damit nicht vermeiden konnte) nicht bestraft. Auf der anderen Seite darf man darüber spekulieren, ob Ducati lieber nicht beide vordersten Positionen belegen wollte, um nicht weiter an Maximaldrehzahl zu verlieren. Nachfolgend das Resultat von Lauf zwei.

Im Zwischenklassement baute der amtierende Weltmeister mit neu 236 Punkten seinen Vorsprung weiter aus. Nach nur einem Drittel der Saison fehlen Razgatlioglu (167 Punkte) bereits 69 Zähler auf den beinahe uneinholbar führenden Bautista. Locatelli (133) und Rea (100) folgen auf den weiteren Positionen. Spannung ist in der WSBK auch diese Saison zumindest um den Titelkampf erneut nicht zu erwarten.

WorldSSP 600 mit zweitem türkischen Sieg der Saison

Diesmal war es nicht der mit Armbruch aus Assen verletzt fehlende Can Öncü, sondern sein Landsmann Bahattin Sofuoglu, der Geschichte für den türkischen Rennsport schrieb. Nachdem die Rennen der WSBK wie im Vorjahr meist ohne jegliche Spannung beim Kampf um den Sieg verlaufen, war der Fight an der Spitze in der mittleren Kategorie eine Wohltat für wahre Fans des Rennsports. Für einmal war es nicht Nicolo Bulega auf der Ducati, welcher diesmal das Geschehen prägte. Im Gegenteil verlor der WM-Leader aus Italien schon früh den Anschluss an die Spitzengruppe, um in der zweitletzten Runde beim Versuch zum Kampf um das Podium auf P4 liegend aufgrund eines technischen Problems ausrollen lassen musste. Damit wurde der Kampf um den Sieg zwischen den beiden MV Agusta Piloten Sofuoglu und Schrötter, sowie Yamaha Speerspitze Stefano Manzi ausgefochten. Letzterer sah die Zielflagge als zweiter, aber er wurde von der Rennleitung mit einem Penalty für ein Track Limit Vergehen bestraft und behielt damit immerhin noch Rang 3. In der Zwischenwertung führt nach dem ersten Renndrittel immer noch Bulega mit 152 Punkten vor dem neuen zweitplatzierten, Marcel Schrötter (119), Stefano Manzi (116), Federico Caricasulo (98), Niki Tuuli (75), Valentin Debise (65) und nur einen Punkt vor Öncü dessen Landsmann Sofuoglu mit 64 Zählern.

Marcel Schrötter (MV Agusta F3 800 RR) war zusammen mit seinem Teamkollegen Bahattin Sofuoglu (dem Neffen von WorldSSP Rekordweltmeister Kenan) erfolgreichster Pilot am katalanischen Wochenende. Mit zwei zweiten Plätzen belegt der Deutsche in der WM-Zwischenwertung neu den zweiten Rang.

Wo nicht anders erwähnt gilt bei allen Bildern (© WorldSBK).